Freitag, 08.01.2016, von FOCUS-Online-Korrespondentin Martina Fietz
Die Silvesternacht von Köln zeigte den Rechtsstaat ohnmächtig. Das aber ist er in Teilen schon lange. Die Ursachen dafür finden sich in falsch verstandener Toleranz und überflüssigen Tabus.
Es ist die vornehmste Aufgabe des Staates, seinen Bürgern Sicherheit zu gewähren. Bedauerlicherweise gelingt ihm das nicht durchgängig. Die Ereignisse vom Kölner Hauptbahnhof dokumentieren für die breite Öffentlichkeit eine Ohnmacht der Staatsgewalt.
Wenn die öffentliche Ordnung verloren geht, wenn Autoritäten ihre Wirkmacht verlieren, wenn die Polizei nicht mehr schützen kann, büßt der Staat einen wesentlichen Teil seiner Daseinsberechtigung ein. Er läuft Gefahr, das Vertrauen seiner Bürger zu verlieren. Das ist das fatale Signal der Silvesternacht
Dabei ist das Phänomen als solches bedauerlicherweise nicht neu. Man weiß doch, dass die Polizei in Berlin sich nicht mehr traut, in bestimmten Kiezen einzugreifen. Man kennt die so genannten No-go-Areas nordrhein-westfälischer Städte. Es ist bekannt, dass im Osten der Republik Diebesbanden auf Raubzug gehen. Und viele melden den Diebstahl des Autos oder den Einbruch zu Hause in erster Linie für die Versicherung. Die Hoffnung darauf, dass Täter ermittelt und dann auch bestraft werden, tendiert gen null.
Der Politik brachte der Einsatz für innere Sicherheit nie viel Zustimmung
Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig. Sie spiegelt sich vor dem Hintergrund, dass der starke Staat seit den späten sechziger Jahren grundsätzlich abgelehnt wurde. Der Tenor in der Gesellschaft lautete, ihn klein zu halten. Die Polizei galt immer weniger als Freund und Helfer und entwickelte sich zum Hassobjekt „Bulle“.
Die Arbeit der Sicherheitsbehörden wurde nicht nur kritisch hinterfragt, was richtig ist, sondern als Beschnüffelung unbescholtener Bürger diskreditiert. Immer wenn es darum ging, die Befugnisse der Ermittler den Entwicklungen der kriminellen Techniken anzupassen, schwang Misstrauen mit. Und weil es der Politik nie sonderlich viel Zustimmung einbrachte, Ausgaben für die innere Sicherheit zu erhöhen, erlebten wir einen massiven Stellenabbau. Die Folgen zeigen sich heute.
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass Probleme zu lange totgeschwiegen wurden. Der Blick durch die rosarote Multi-Kulti-Brille erlaubte nicht, klar zu benennen, wenn Zuwanderer Straftaten begingen und sich Parallelgesellschaften entwickelten. Wer hier den Finger in die Wunde legte, fand sich schnell in der rechten Ecke wieder.
Aus Furcht vor dem Vorwurf der Diskriminierung entwickelte sich geradezu ein Schweigekartell, das das Land in Teilen fesselte und erheblich zu der wachsenden Skepsis beitrug, ob die Verantwortlichen die wahren Verhältnisse überhaupt zur Kenntnis nehmen. Und tatsächlich zeigt das Diktat der politischen Korrektheit noch immer Wirkung, wenn die Kölner Polizei tatsächlich in Erwägung zog zu verschweigen, welcher Herkunft die Täter vom Hauptbahnhof waren.
Wir haben es versäumt, unseren Wertekanon vorzugeben
Damit nicht genug: Aufgrund falsch verstandener Toleranz gegenüber anderen Wertvorstellungen haben wir versäumt, jedem, der in Deutschland leben will, unseren Wertekanon vorzugeben. Das beginnt bei dem Grundsatz, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind, führt über die Religionsfreiheit und endet bei der Akzeptanz der deutschen Rechtsordnung.
Die Mehrheit der Zuwanderer hat das selbstverständlich akzeptiert. Nun kommt es darauf an, auch diejenigen darauf zu verpflichten, die sich bislang verweigern – und diejenigen schnellstens auf den richtigen Kurs zu bringen, die aktuell kommen. Das ist eine Herkulesaufgabe, die nur dann gelingen kann, wenn die Gesellschaft zusammensteht.
2016 hält für Merkel eine große Herausforderung bereit
Hat sie dazu die Kraft? Das ist heute nicht absehbar. Die Täter von Köln, Hamburg und anderswo jedenfalls haben nicht nur ihre Opfer gepeinigt. Sie haben auch ihren Landsleuten Schaden zugefügt. Denn wie die vielen Hasstiraden im Netz zeigen, haben etliche geradezu darauf gewartet, dass sich ihre Vorbehalte gegenüber Zuwanderern bestätigen.
Die Kanzlerin hat in ihrer Neujahrsansprache den Zusammenhalt des Landes als große Herausforderung für 2016 bezeichnet. Schon nach einer Woche steht ihr Anspruch auf dem Prüfstand. Merkel wird verdeutlichen müssen, wie sie ihr gut begründetes Anliegen, Schutzbedürftigen Schutz zu bieten, weiterverfolgen will, ohne die Gesellschaft dabei zu spalten.
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