Von Anabel Schunke Sa, 9. Januar 2016 - Tichys Einblick
Nicht nur Merkel hat viele „politisch heimatlos“ gemacht, indem sie die CDU immer weiter nach links gerückt hat, auch die Wächter der political correctness haben ihren Anteil an der politischen Heimatlosigkeit vieler Menschen.
Man sollte meinen, dass es in diesen Tagen vieles gab, worüber man hätte betrübt sein, worüber man sich hätte aufregen, worüber man hätte diskutieren können. Stattdessen schien es in den letzten Tagen seit Köln für manche Menschen wichtiger zu sein, Meinungen, die nicht ihren eigenen entsprechen, zu tabuisieren – und das weit entfernt von jedweder Grenze des guten Geschmacks. Dabei ist der Versuch, die Flüchtlings- und Integrationsdebatte zu tabuisieren bzw. die Richtung zu bestimmen, in welcher Form darüber diskutiert werden darf, nichts Neues. Dennoch offenbart der Fall Köln eine neue Dimension dieses Verhaltens. Beleidigungen, Denunzierungen all jener, die sich kritisch äußern und ein vehementer Kulturrelativismus gehen dabei Hand in Hand. Keine Erklärung ist zu absurd, als dass man sie nicht verwenden könnte. Damit schaden sie mehr als alle anderen der Flüchtlings- und Integrationsdebatte.
Es ist nur einen Tag her, dass ich bei Twitter beklagte, dass so wenig starke Frauen zum Thema Köln gehört werden würden. Dabei bezog ich mich vor allem auf das Fernsehen, aber auch auf die Presse. Überall sind es in meiner Wahrnehmung vor allem Männer, die starke Kommentare zum Thema abgeben. Der eine glaubwürdiger als der andere.
“Kultur des Löschens”
„Löschen, oder blockieren Sie doch diese Menschen einfach.“ – wird einem dann geraten, aber ich halte nicht viel von dieser „Kultur des Löschens“. Ich bin ein liberal denkender Mensch und das mit Überzeugung. Ich bin ein Freund davon, die Dinge konsequent zu Ende zu denken. Wer sich als liberal bezeichnet, der muss auch mit den Konsequenzen dieser Einstellung leben. Eigentlich ist das auch weniger eine Bürde (auch wenn es einem manchmal in solchen Situationen so vorkommt), denn eine Chance, einmal mehr aufzuzeigen, weshalb es gerade der Liberalismus war, der sich gegenüber all den anderen politischen Philosophien in unseren Gesellschaften hat durchsetzen können. „Ich mag verdammen was du sagst, aber ich werde alles dafür geben, dass du es sagen darfst.“, sagte Voltaire einst und daran versuche ich mich zu halten, auch wenn es mir nicht selten schwer fällt. Aber ich glaube an die (wirkliche) Toleranz, an die freie Meinungsäußerung, an die Freiheit des Individuums, an die Selbstbestimmung, an die Eigenverantwortung. Und ich bin mir ebenso sicher, das hat nicht zuletzt die Geschichte, sowohl die empirische als auch die politische Ideengeschichte gezeigt, dass sich diese Werte am Ende immer gegenüber der Einschränkung der Freiheit, der Zensur, dem Zwang durchsetzen. Egal, ob es sich um den staatlichen oder den Zwang ein paar weniger selbsternannter Gesinnungspolizisten ist, die hinter jeder kritischen Äußerung sofort Rassismus sehen. Zensur und Zwang haben, wenn überhaupt, immer nur temporären Erfolg. Und an diesen Gedanken gilt es sich festhalten, wenn es mal wieder hart auf hart kommt – egal, ob es die kleinen oder großen Begebenheiten sind.
Und bitte, denken Sie jetzt nicht, dass in den letzten Tagen seit Veröffentlichung meines ersten Beitrages zu den Vorfällen in Köln, ein Shitstorm über mich hereingebrochen sei. Die negativen Reaktionen ließen sich an zwei Händen abzählen, während die positiven Rückmeldungen via Mail, Kommentar und Facebooknachricht in die Hunderte gingen. Dennoch sitzen wenige Worte manchmal mehr als zig stumpfe Beleidigungen, weil sie einem offenbaren, wie verbohrt manche Menschen auf ihre Ansichten behaaren, wie sie keinen Millimeter dazu bereit sind, Dinge einzuräumen, wenn sie nicht in ihr Weltbild passen. Es ist dieses Verhalten, diese Ansichten, die so vollkommen von der Lebenswelt der meisten Menschen entrückt sind. Es ist jenes Verhalten, das man dieser Tage ebenso bei der vermeintlich intellektuellen Elite des Landes, vielen Journalisten und Politikern beobachten kann. Es ist dieses Verhalten, was mich von einem eher linksgesinnten Menschen zu einer überzeugten Liberalen hat werden lassen. Insofern wäre an dieser Stelle fast ein „Danke“ angesagt, wenn es nicht so traurig und vor allem schädlich für die Debatte wäre. Auch könnte ich an dieser Stelle die einzelnen Anmaßungen und Nettigkeiten von Menschen auflisten, die mir in den letzten Tagen entgegen geschlagen sind , aber bevor das hier zu einer persönlichen Verteidigungsrede verkommt, möchte ich lieber wieder über das eigentliche Thema reden.
Schädliche Art des Diskurses
Ich halte diese Art des Diskurses – ich sagte es bereits – für sehr schädlich. Vor allem, weil es nur allzu oft damit endet, dass sich die Fronten so erhärten, dass sich die Leute schlussendlich doch gegenseitig aus ihren sozialen Netzwerken oder gleich ganz aus dem Leben löschen. Dies führt nicht nur am Ende zu einer Art intellektuellen Inzest, bei dem sich die Menschen irgendwann nur noch mit ihresgleichen austauschen (auch deswegen lösche ich eigentlich nicht bei Facebook), es sorgt auch dafür, dass sich die Kluft innerhalb der Gesellschaft immer weiter vergrößert. Es ist dieser Umstand, der dafür sorgt, dass viele Menschen mittlerweile das Gefühl haben, es gäbe nur noch linke oder rechte Meinungen im öffentlichen Diskurs und sich selbst und ihre Meinung deshalb in diesem nicht mehr vertreten sehen.
Nicht nur Merkel hat viele Menschen „politisch heimatlos“ gemacht, wie Thomas Oppermann es formulierte, indem sie die CDU immer weiter nach links gerückt hat, auch die selbsternannten Wächter der political correctness haben ihren Anteil an der politischen Heimatlosigkeit vieler Leute. So hat mein Beitrag zu den Vorfällen in Köln nicht zuletzt auch deshalb so einen großen Anklang gefunden, weil er sich bemühte, die Meinungsmitte darzustellen, die ich vertrete und zu der sich ein Großteil der Menschen zählt, die mir ihre Gedanken via Mail oder Facebooknachricht haben zukommen lassen.
Dabei kann es bei solchen Texten, gerade wenn die ehrliche Kritik von den sonstigen Medien bis zu diesem Zeitpunkt gescheut wurde, gelegentlich passieren, dass die eigenen Aussagen umgedeutet und instrumentalisiert werden. Sowohl zum Zweck der Denunzierung von linker Seite, als auch zum politischen Zweck von Bewegungen, die eher am rechten Rand angesiedelt sind. Das ärgert mich persönlich zutiefst, darf aber in diesem geringen Ausmaß, wie es geschehen ist, nicht zu hoch bewertet werden. Politische Aussagen wurden immer schon umgedeutet und zu falschen Zwecken instrumentalisiert. Das gilt für kleine Meinungen wie meine, genauso wie für die großen Ideen. Das heißt natürlich nicht, dass man nicht auf seine Worte achten sollte. Gerade deshalb solle ein besonderes Augenmerk auf die eigenen Formulierungen und Aussagen gelegt werden. Dies darf jedoch unter keinen Umständen in Selbstzensur enden. Prüfstein sollte hierbei nicht die vermeintliche political correctness sein, sondern die eigenen Werte und Ansichten.
Genau das funktioniert in manchen Teilen der Bevölkerung und in der Medienlandschaft nicht mehr. Wenn man sieht, was selbst so ein kleines Licht wie ich im deutschen Journalismus für Anfeindungen und Denunzierungen ertragen muss, kann ich es den meisten Leuten nicht verdenken, dass man sich eher bedeckt hält, wenn es um heikle Themen wie etwa Integration und Flüchtlinge geht. In der Demokratie zensiert halt nicht mehr der König, sondern das Volk sich selbst. Das auch dies nicht ewig gut geht, zeigt sich gerade in der Debatte um Köln.
ÖRR setzt auf Altbewährtes, das sich längst nicht mehr bewährt
Dennoch bleiben gerade die großen Leitmedien, allen voran die Öffentlich-Rechtlichen bei ihrer Linie und setzen auf das Altbewährte, ohne zu merken, dass dieses sich schon längst nicht mehr bewährt. Immer noch fehlt der Mut vor allem beim Fernsehen, neue Wege zu bestreiten. Dabei gibt es auch dort viele Journalisten, die wollen, aber nicht können. Stattdessen setzt man weiter auf jene Gesichter, die sowieso keiner mehr sehen will. Auf die Talkshow-Dauergäste, die ewig gleichen Stereotypen, die ihre bestimmte Sparte perfektioniert haben und so für das Fernsehen kein Risiko darstellen und jederzeit abrufbar sind. Das gilt für den Ungarn von Bayern, Markus Söder, genau wie für Anne Wizorek als angeblich neues, junges Gesicht am Feministenhimmel nach Alice Schwarzer. Kein Wunder, dass da viele plötzlich die Anti-Feministin Birgit Kelle zur Galionsfigur in dieser Debatte erheben. Eine Frau, die nicht zuletzt dafür plädiert, dass Frauen doch lieber zu Hause die Kinder hüten sollten, statt Karriere zu machen und die das Thema meines Erachtens nur nutzt, um Debatten wie die um Rainer Brüderle ins Lächerliche zu ziehen, weil eben genau das in ihr Weltbild passt. Da ist es mir auch egal, dass ihr Kommentar durchaus gut war, aber haben wir wirklich nicht mehr zu bieten, als Anne Wizorek und Birgit Kelle? Gibt es auch hier nur das eine oder das andere Extrem?
Offensichtlich ja und es ärgert mich maßlos, dass damit gerade bei diesem Thema kaum starke Frauenstimmen zu vernehmen sind. Die guten Kommentare, wie der von Claus Strunz, kamen bis jetzt nahezu alle von Männern. Dabei bräuchte es gerade in einer Debatte, in der es so sehr um die Empfindungen und die Position der Frau geht, unbedingt mehr starke weibliche Vertreterinnen im öffentlichen Diskurs.
Nie habe ich die Gesellschaft so verunsichert erlebt wie in diesen Tagen. Nie habe ich so viel Ratlosigkeit und Angsthasen-Mentalität in der Politik und in den Medien erlebt. Und dennoch macht man so weiter wie bisher. Das kann und will ich nicht verstehen. So wird die Spaltung der Gesellschaft weiter zunehmen und das Loch in der Mitte wird größer und größer werden. Dabei bräuchte es gerade jetzt unbedingt einen öffentlichen Diskurs, eine Medienvertretung und eine Politik, die dieses Loch füllt. Denn wenn sich die Menschen jetzt zwischen links und rechts entscheiden müssen, dann bin ich mir bei der Stimmung derzeit sicher, dass die meisten sich für rechts entscheiden würden. Die Auswirkungen wären fatal.
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