Sonntag, 26. Februar 2012

Hartz-IV-Lüge

Sozialer Abstieg oder Lügen mit Zahlen

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hat die Goslarsche Zeitung das Thema Hartz-IV in einer Reportage aufgegriffen. Ich habe damals dem Redakteur geantwortet und ihm MEINE Berechnung übermittelt (siehe hier unter "Medienkritik").
   Der Bericht lag wohl auf "Wiedervorlage", denn am 24.02.2012 erfolgte ein Bericht "Sozialer Abstieg nach der Scheidung" bei dem auch diesmal die Fakten so nicht stimmen können.
   Keine Frage: Einer Scheidung folgt im Regelfall ein sozialer Abstieg, und zwar für Frau, Mann und die Kinder. Ob es aber auch ein materieller Abstieg sein muss, kommt auf den Einzelfall und die Situation in der Ehe an.
   Dass Kinder mit Hartz-IV-Grundsicherung generell verarmen,  ist ein Mythos, der in der Journalistenwelt offensichtlich nicht auszurotten ist. Die Hartz-IV-Grundsicherung für Kinder ist nämlich um ein Vielfaches höher als das Kindergeld für Arbeitnehmer.
   Die GZ hat in ihrer Freitagsausgabe wieder eine Story veröffentlicht, die den Mythos der Harz-IV-Armut von Kindern  unterstreichen soll, die aber mit den beschriebenen materiellen Auswirkungen so nicht stimmen kann. Entweder ist der Artikel schlecht recherchiert oder die Autorin hat sich das Schicksal ihrer Anja S. aus den Fingern gesogen.
   Wenn die Musterfrau mit - wie im Artikel beschrieben - 4 Kindern auf dem Gymnasium von der Hartz-IV-Grundsicherung leben muss, steht sie sich wahrscheinlich besser, als wenn sie arbeiten müsste, zumal davon auszugehen ist, dass das jüngste Kind mindestens 12 Jahre alt sein muss. Dieses hätte auch die Autorin des Artikels durch einen Blick ins Gesetz, durch Rückfrage bei der Arbeitagentur oder, ganz banal, durch Benutzung eines ALG II-Rechners im Internet feststellen können.
   Die Musterfrau würde für sich 519,- Euro und für ihre Kinder 1124,- Euro Grundsicherung erhalten. Darüber hinaus erstattet Vater Staat die Miete für eine angemessenen Wohnung, die für eine 5-köpfige Familie 105 qm groß sein darf und übernimmt die Heizkosten. In diesem Fall wären das ca. 550,- Euro Miete und 100,- Euro Heizkosten. Die Sozialrabatte aus dem Bildungspaket, der Pauschale für schulisches Arbeitsmaterial, vergünstigte Tarife für Telefon, Fernsehen und öffentlichen Nahverkehr nicht einmal mitgerechnet.
   Im vorstehenden Fall erhielte Frau Muster für sich und ihre 4 Kinder 2283.- Euro. Da die Warmmiete von der Arbeitsagentur  übernommen wird, verbleiben der Musterfamilie auf jeden Fall ca. 1630,- Euro für die Lebenshaltungskosten und nicht, wie die Autorin versucht darzustellen, lediglich 800,- €, weil angeblich mehr als die Hälfte des von ihr festgestellten angeblich verfügbaren Einkommens von 1900,- Euro für die Miete fällig würde.
   Um die gleiche Summe zum Leben zu haben, müsste eine alleinerziehende Arbeitnehmerin einen Job haben, in dem sie bei  40 Arbeitsstunden/Woche in 4 Wochen mindestens 13,75 Euro pro Stunde verdienen müsste. Ein Gehalt, dass nicht gerade in den gängigsten Berufen gezahlt wird.  (Siehe auch Focus 08/12 – „Die Mindestlohn-Falle“).
   Während Arbeitnehmer  einen krisenabhängigen Job haben, ist das Einkommen von Hartz-IV-Empfängern zumindest krisensicher und wird unabhängig von Konjunkturschwankungen immer gezahlt.
   Außerdem erschließt sich mir nicht, wieso ständig von verarmten Hartz-IV-Kindern die Rede ist, wenn diese von Staat - wie im vorliegenden Fall -  eine Grundsicherung von 1140,- Euro erhalten, während Arbeitnehmer für ihre Kinder in vergleichbarer Situation lediglich 776,- Euro Kindergeld beziehen. Leben die Eltern von Hartz-IV-Kindern eventuell auf Kosten ihrer Kinder?
   Bevor meine vorstehenden Ausführungen als Hirngespinst abgetan werden, empfehle ich, einen Hartz-IV-Rechner und einen Brutto-Netto-Rechner zum Nachrechnen im Internet heranzuziehen.
Hier das Ergebnis:
Hartz IV,  Alleinerzieher, 4 Kinder
  Arbeitnehm., Alleinerzieher, 4 Kinder
Regelleistung Antragstellerin
374,00 €
  Gehalt brutto
  2.200,00 €
Mehrbedarf Alleinerziehende
135,00 €
       das sind 13,75 €/Std.!
 
Grundsicherung Kind 18 Jahre
299,00 €
  Kindergeld Kind 18 Jahre
218,00 €
Grundsicherung Kind 16 Jahre
287,00 €
  Kindergeld Kind 16 Jahre
190,00 €
Grundsicherung Kind 14 Jahre
287,00 €
  Kindergeld Kind 14 Jahre
184,00 €
Grundsicherung Kind 12 Jahre
251,00 €
  Kindergeld Kind 12 Jahre
184,00 €
verfügbares Bareinkommen
1.633,00 €
       
+ Miete 105 qm angemessen
550,00 €
  + Miete
          Keine
+ Heizung
  100,00 €
  + Heizung
          Keine
Gesamt
  2.283,00 €
  Gesamt
  2.976,00 €
         Keine
  ./. Lohnsteuer Klasse II
239,41 €
         Keine
  ./. Rentenvers.
218,90 €
         Keine
  ./. Krankenv.
  180,40 €
         Keine
  ./. Arbeitslosenvers.
33,00 €
         Keine
  ./. Pflegeversicherung
21,45 €
Abzüge gesamt
     Keine
  Abzüge gesamt
693,16 €
Nettoeinkommen incl. Miete
2.283,00 €
  Nettoeinkommen incl. Miete
2.282,84 €
Ergebnis:
Um das gleiche Bareinkommen incl. Miete und Heizung von 2283,- € zu haben wie eine alleinerzie- hende Hartz-IV-Empfängerin, mit 4 Kindern im Alter von 12 - 18 Jahren  muss eine alleinerziehende Arbeitnehmerin mindestens 2200,- € brutto oder 13,75 € pro Stunde plus Kindergeld verdienen. Macht zusammen ca.2976,- € !!!!!
Wie man bei diesen Fakten ständig die Litanei von den materiell verarmten Hartz-IV-Empfängern und deren Kindern wiederholen kann, bleibt mir ein Rätsel.

Zum Nachrechnen:
Hier Klicken zum ALG II –Rechner           


Lügen mit Zahlen

In der Ausgabe vom 20.01.2012 kündigte die GZ einen Vortrag im Rahmen der „Frankenberger Winterabende“ mit Gerd Bosbach an. Der würde am 23.01.2012 über das Thema „Lügen mit Zahlen“ referieren und  „fachkundig und unterhaltsam die tägliche Manipulation“ entlarven.
   Offensichtlich war aber die GZ-Redakteurin Tanja Plock bei dem Vortrag nicht anwesend, sonst hätte sie ihren Artikel „Sozialer Abstieg nach der Scheidung“ in der GZ-Ausgabe vom 24.02.2012 anders geschrieben.
   Hätte sie sich in dem von ihr geschilderten Fall an Fakten  gehalten und nicht auf Meinungen und Mutmaßungen  gestützt, wäre ihr Artikel allerdings derart politisch unkorrekt geworden, dass er nicht zur Veröffentlichung geeignet gewesen wäre, weil er nicht in die sozialpolitische Landschaft, in der permanent über  verarmte Hartz-IV-Empfänger berichtet wird, gepasst hätte (Einzelheiten siehe "Sozialer Abstieg" unter "Was mich bewegt").
   Und dass im Harz überproportional viele Hartz-IV-Empfänger leben, kann doch nicht wirklich verwundern, wenn man weiß, dass derjenige, der auf Grund seiner Ausbildung eine Chance für einen Beruf mit Perspektive sieht, wegzieht und seinen Arbeitsplatz dort sucht, wo er Ihn zu finden hofft. Wer diese Chance für sich nicht sieht, bleibt halt hier.


Sonntag, 5. Februar 2012

Einer für alle

Ich hatte in meinem Post vom 13. Januar  die rhetorische Frage gestellt, ob sich Politiker der 1. Garde kaum zum Thema Wulff  äußern, weil sie wohl alle im Glashaus sitzen würden.
   Die Antwort liefert Hans-Ullrich Jörges, Stern-Chefkolumnist, im Stern Nr. 5 vom 26.01.2012:
Er stellt fest, dass in der Politik wohl jeder...“ in den vergangenen Wochen darüber nachgedacht (hat), ob und in welcher Weise er sich selbst  in der Grauzone von Privilegien und Politsponsoring angreifbar gemacht haben könnte. Wulff ist vielleicht ein besonders eklatantes Beispiel. Doch er steht auch als einer für alle.“
   Und er zitiert Joschka Fischer, der seiner Meinung nach auf die Frage nach einer Rückkehr in die Politik als einziger den Mut fand, sich der Skandalisierung entgegen zu stellen, indem er sagte: “Ich habe mein Leben so geführt, dass ich den hohen moralischen Standards, die neuerdings an öffentliche Ämter durch die Medien  angelegt werden, nicht mehr gerecht werde.“
   Weiter stellt Jörges fest, dass sich auch die Medien sponsern lassen, denn Bundes- und Landespressebälle wären ohne Zuwendungen großer Firmen undenkbar. Außerdem würden z.B. bei Parteitagen die Medienleute traditionell in den von  Sponsoren eingerichteten Presselounges kostenlos verköstigt.
   Seiner weiteren Vermutung, dass die Politiker auch stillhalten könnten, weil  ...“die Politik keinen Sieg der Medien (will), keine Medienrepublik, in der sie von den geschlossenen agierenden Presse entmachtet wird“ kann man nur zustimmen,
   Das will ich auch nicht. Es wird Zeit, klare Grenzen zu ziehen, um dem Versuch Einhalt zu bieten, dass „BILD“  u.a. bestimmen, wer in Deutschland regiert bzw. Bundespräsident wird oder wie lange dieser im Amt bleibt !