Sozialer Abstieg oder Lügen mit Zahlen
Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hat die Goslarsche Zeitung das Thema Hartz-IV in einer Reportage
aufgegriffen. Ich habe damals dem Redakteur geantwortet und ihm MEINE Berechnung übermittelt (siehe hier unter "Medienkritik").
Der Bericht lag wohl auf "Wiedervorlage", denn am 24.02.2012 erfolgte ein Bericht "Sozialer
Abstieg nach der Scheidung" bei dem auch diesmal die Fakten so nicht stimmen können.
Keine Frage: Einer Scheidung folgt im Regelfall ein sozialer Abstieg, und zwar für Frau, Mann
und die Kinder. Ob es aber auch ein materieller Abstieg sein muss, kommt auf den Einzelfall und die Situation in der Ehe an.
Dass Kinder mit Hartz-IV-Grundsicherung generell verarmen, ist ein
Mythos, der in der
Journalistenwelt offensichtlich nicht auszurotten ist. Die
Hartz-IV-Grundsicherung für Kinder ist nämlich um ein Vielfaches höher
als das Kindergeld für Arbeitnehmer.
Die GZ hat in ihrer Freitagsausgabe wieder eine Story veröffentlicht,
die den Mythos der
Harz-IV-Armut von Kindern unterstreichen soll, die aber mit den
beschriebenen materiellen Auswirkungen so nicht stimmen kann. Entweder
ist der Artikel schlecht recherchiert oder die Autorin hat
sich das Schicksal ihrer Anja S. aus den Fingern gesogen.
Wenn die Musterfrau mit - wie im Artikel beschrieben - 4 Kindern auf
dem Gymnasium von der
Hartz-IV-Grundsicherung leben muss, steht sie sich wahrscheinlich
besser, als wenn sie arbeiten müsste, zumal davon auszugehen ist, dass
das jüngste Kind mindestens 12 Jahre alt sein muss. Dieses
hätte auch die Autorin des Artikels durch einen Blick ins Gesetz, durch
Rückfrage bei der Arbeitagentur oder, ganz banal, durch Benutzung eines
ALG II-Rechners im Internet feststellen
können.
Die Musterfrau würde für sich 519,- Euro und für ihre Kinder 1124,-
Euro Grundsicherung
erhalten. Darüber hinaus erstattet Vater Staat die Miete für eine
angemessenen Wohnung, die für eine 5-köpfige Familie 105 qm groß sein
darf und übernimmt die Heizkosten. In diesem Fall wären das ca.
550,- Euro Miete und 100,- Euro Heizkosten. Die Sozialrabatte aus dem
Bildungspaket, der Pauschale für schulisches Arbeitsmaterial,
vergünstigte Tarife für Telefon, Fernsehen und öffentlichen
Nahverkehr nicht einmal mitgerechnet.
Im vorstehenden Fall erhielte Frau Muster für sich und ihre 4 Kinder
2283.- Euro. Da die
Warmmiete von der Arbeitsagentur übernommen wird, verbleiben der
Musterfamilie auf jeden Fall ca. 1630,- Euro für die
Lebenshaltungskosten und nicht, wie die Autorin versucht darzustellen,
lediglich 800,- €, weil angeblich mehr als die Hälfte des von ihr
festgestellten angeblich verfügbaren Einkommens von 1900,- Euro für die
Miete fällig würde.
Um die gleiche Summe zum Leben zu haben, müsste eine alleinerziehende
Arbeitnehmerin einen Job
haben, in dem sie bei 40 Arbeitsstunden/Woche in 4 Wochen mindestens
13,75 Euro pro Stunde verdienen müsste. Ein Gehalt, dass nicht gerade in
den gängigsten Berufen gezahlt wird. (Siehe
auch Focus 08/12 – „Die Mindestlohn-Falle“).
Während Arbeitnehmer einen krisenabhängigen Job haben, ist das Einkommen von
Hartz-IV-Empfängern zumindest krisensicher und wird unabhängig von Konjunkturschwankungen immer gezahlt.
Außerdem erschließt sich mir nicht, wieso ständig von verarmten
Hartz-IV-Kindern die Rede ist,
wenn diese von Staat - wie im vorliegenden Fall - eine Grundsicherung
von 1140,- Euro erhalten, während Arbeitnehmer für ihre Kinder in
vergleichbarer Situation lediglich 776,- Euro Kindergeld
beziehen. Leben die Eltern von Hartz-IV-Kindern eventuell auf Kosten
ihrer Kinder?
Bevor meine vorstehenden Ausführungen als Hirngespinst abgetan werden, empfehle ich, einen
Hartz-IV-Rechner und einen Brutto-Netto-Rechner zum Nachrechnen im Internet heranzuziehen.
Hier das Ergebnis:
Hartz IV, Alleinerzieher, 4 Kinder |
Arbeitnehm., Alleinerzieher, 4 Kinder |
|||||
Regelleistung Antragstellerin |
374,00 € |
Gehalt brutto |
2.200,00 € |
|||
Mehrbedarf Alleinerziehende |
135,00 € |
das sind 13,75 €/Std.! |
||||
Grundsicherung Kind 18 Jahre |
299,00 € |
Kindergeld Kind 18 Jahre |
218,00 € |
|||
Grundsicherung Kind 16 Jahre |
287,00 € |
Kindergeld Kind 16 Jahre |
190,00 € |
|||
Grundsicherung Kind 14 Jahre |
287,00 € |
Kindergeld Kind 14 Jahre |
184,00 € |
|||
Grundsicherung Kind 12 Jahre |
251,00 € |
Kindergeld Kind 12 Jahre |
184,00 € |
|||
verfügbares Bareinkommen |
1.633,00 € |
|||||
+ Miete 105 qm angemessen |
550,00 € |
+ Miete |
Keine |
|||
+ Heizung |
100,00 € |
+ Heizung |
Keine |
|||
Gesamt |
2.283,00 € |
Gesamt |
2.976,00 € |
|||
Keine |
./. Lohnsteuer Klasse II |
239,41 € |
||||
Keine |
./. Rentenvers. |
218,90 € |
||||
Keine |
./. Krankenv. |
180,40 € |
||||
Keine |
./. Arbeitslosenvers. |
33,00 € |
||||
Keine |
./. Pflegeversicherung |
21,45 € |
||||
Abzüge gesamt |
Keine |
Abzüge gesamt |
693,16 € |
|||
Nettoeinkommen incl. Miete |
2.283,00 € |
Nettoeinkommen incl. Miete |
2.282,84 € |
Ergebnis:
Um
das gleiche Bareinkommen incl. Miete und Heizung von 2283,- € zu haben
wie eine alleinerzie- hende
Hartz-IV-Empfängerin, mit 4 Kindern im Alter von 12 - 18 Jahren muss
eine alleinerziehende Arbeitnehmerin mindestens 2200,- € brutto oder
13,75 € pro Stunde plus Kindergeld verdienen. Macht
zusammen ca.2976,- € !!!!!
Wie man bei diesen Fakten ständig die Litanei von den materiell verarmten Hartz-IV-Empfängern und deren
Kindern wiederholen kann, bleibt mir ein Rätsel.
Zum Nachrechnen:
Hier Klicken zum ALG II –Rechner
Hier Klicken zum ALG II –Rechner
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen