Dienstag, 29. März 2022

Die Sorgen von Qualitätsmedien

 Die Sorgen von Qualitätsmedien.

Ein Teil der deutschen Medien beschäftigt sich mit den wirklichen Problemen, Sorgen und Nöten der Menschen in diesem grausamen Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine.

So die Süddeutsche Zeitung:
Krieg und Geschlecht:

Männer kämpfen, Frauen bringen die Kinder in Sicherheit

Von Meredith Haaf
Fördern bewaffnete Konflikte alte Geschlechterrollen? Ein Gespräch mit Historikerin Claudia Kraft über Präsident Selenskijs Maskulinität, ukrainischen Feminismus und deutsche Vorurteile.
Während volljährige Männer unter 60 die Ukraine derzeit nicht verlassen dürfen und das Land verteidigen sollen (Anm.: Ja. Und zwar Männer, die sich nicht dafür halten oder die es sein möchten, sondern, die so geboren wurden), während zunehmend männliche Freiwillige aus anderen europäischen Staaten die Ukraine militärisch unterstützen, verlassen Millionen Frauen das Kriegsgebiet. An ukrainischen Bahnhöfen und an der Grenze spielen sich dramatische Abschiedsszenen zwischen Frauen und Männern, Vätern und ihren Familien ab. Was passiert mit Gleichberechtigung und Geschlechterrollen, wenn Krieg ist? Die Historikerin Claudia Kraft arbeitet an der Universität Wien zu vergleichender europäischer Zeitgeschichte und zu Geschlechterverhältnissen in Mittel-und Osteuropa.

Dienstag, 22. März 2022

Corona und die Medien

 Corona und die Medien

„Normalbürger müssen sich keine großen Sorgen machen“

Von Frank Lübberding

Seit Anfang 2020 prägen die Medien unseren Blick auf Corona. Doch haben sie die Krise mit all ihren Unsicherheiten angemessen abgebildet? Eine chronologische Liste exemplarischer Aussagen aus den letzten zwei Jahren – besonders eine Tendenz fällt auf.

Am Anfang der Pandemie gab es eine grundlegende wissenschaftliche Einsicht: Unser Wissen über ein neues Virus ist immer vorläufig. Es wird also neue Erkenntnisse und darauf beruhende veränderte Schlussfolgerungen geben. Unter dieser Prämisse ist der Irrtum die Grundlage des Fortschritts.

Von dieser Einsicht hat sich die deutsche Gesellschaft sehr schnell verabschiedet. Bald ging es in der Debatte nicht mehr um die Wissenschaft und deren Diskurse, sondern um die Legitimation politischer Entscheidungen. Diese sind in Demokratien zwangsläufig umstritten. Menschen haben unterschiedliche Interessen. Sie setzen in ihrem Wertegefüge unterschiedliche Prioritäten. Gruppen mit gesichertem Einkommen in der Pandemie schätzen die Risiken staatlicher Pandemiebekämpfung anders ein als solche, deren wirtschaftliche Existenzgrundlage zerstört wird.

Unsere Übernahme des chinesischen Lockdown-Modells im März 2020 war der Kern politischer Konflikte. In freien Gesellschaften werden solche offen ausgetragen, eine wichtige Rolle spielen dabei die Medien. Dort gab es eine beunruhigende Entwicklung zu beobachten. Konflikte wurden nicht mehr als legitim betrachtet, sondern der politische Gegner zunehmend als illegitimer Feind angesehen.

Diese Zitatensammlung ist der Versuch einer Rekonstruktion dieser Konflikte. Die Auswahl ist subjektiv, vieles fehlt, darunter fremde und eigene Irrtümer. Niemand erwartete im Januar 2020, was uns in den kommenden beiden Jahren bevorstehen würde. Die Zitate haben folglich nicht den Zweck, anderen ihre Fehleinschätzungen vorzuwerfen. Hier sitzen alle Medien im selben Glashaus.

Die Sammlung soll vielmehr den kritischen Sinn für einen Diskurs schärfen, der sich in einem atemberaubenden Tempo in den Kategorien des Freund-Feind-Denkens verselbständigte. Viele beanspruchten zunehmend einen Monopolanspruch.

Es handelt sich bei dieser Zitatensammlung allerdings nicht nur um einen Rückblick, sondern zugleich um einen Warnruf als Ausblick: Die liberale Gesellschaft droht ihre vielbeschworenen Werte zu verlieren. Einer unserer wichtigsten Grundwerte ist der politische Streit als tragende Säule unserer Verfassung. Entscheidend ist nicht, wer ein Argument formuliert, sondern die Stichhaltigkeit des Arguments. Man muss also in einer Demokratie immer davon ausgehen, dass sogar ein Gegner die besseren Argumente hat.

Zwei Jahre Pandemie in den Medien

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 24. Januar 2020:

„In China wurden allerdings in den vergangenen Tagen mehrere Millionenstädte mit der Einwohnerzahl Nordrhein-Westfalens unter Quarantäne gestellt, zudem die chinesischen Neujahrsfeiern wegen des Coronavirus abgesagt. Man ahnt, was die Welt in den kommenden Wochen beschäftigen könnte. Milchmädchenrechnungen werden wir uns bei dem Thema nicht leisten können.“

n-tv, 27. Januar 2020:

„Zur ‚Einordnung‘ betonte Spahn, dass der Krankheitsverlauf beim Coronavirus milder sei als etwa bei einer Grippe. ‚An einer Grippe, wenn sie schwer verläuft, sterben in Deutschland bis zu 20.000 Menschen im Jahr.‘ Auf die Frage, ob in Deutschland wie in China auch die Abschottung ganzer Städte möglich sei, führte Spahn das Beispiel von Masern an, die deutlich ansteckender seien als das Coronavirus. ‚Und wir bekommen auch einen Masern-Ausbruch in Deutschland mit deutlich milderen Maßnahmen in den Griff, als wir sie derzeit in China sehen.‘“

„Zeit“, 28. Januar 2020:

„Harmlos ist das neue Coronavirus aber keinesfalls, gleichzeitig mahnen Wissenschaftler immer wieder zur Besonnenheit.“

Bayerischer Rundfunk, 30. Januar 2020:

„Es gibt natürlich auch die, die immer erregt sein wollen, weil Erregung das Zentrum ihrer politischen Arbeit darstellt. Martin Sellner von der Identitären Bewegung etwa zwitscherte: ‚Das Wuhan Virus verbreitet sich rasend schnell. Offene Grenzen bedeuten auch offene Grenzen für Viren.‘ Wer die Apokalypse zur Basis seines Denkens macht, der schlägt Maßnahmen zu deren Verwirklichung vor. (…) Kein Verkehr mehr, Flugzeuge bleiben am Boden, Züge fahren nicht, quasi Generalstreik, die Wirtschaft erlahmt, Krise, und schon hätte man genau das, was man draußen halten will: das Desaster. Natürlich beteiligt sich auch der Asthma-Anfall für Deutschland, kurz AfD, an der Paranoia-Produktion. Und rechte YouTuber kriegen sich vor lauter Endzeitpsychosen gar nicht mehr ein. (…) Warum sind so viele so leicht mit Verschwörungstheorien zu infizieren?“ (Der Beitrag des Magazins „quer“ wurde inzwischen gelöscht, ist aber hier noch zu sehen, Anm. d. Red.)

Sonntag, 20. März 2022

Nur noch 45 Prozent der Weltbevölkerung leben in einer Demokratie

DER SPIEGEL: Neue Studie: Nur noch 45 Prozent der Weltbevölkerung leben in einer Demokratie.

So auch in der WELT

Demokratische Grundwerte stehen weltweit unter Druck. Laut einer Erhebung der britischen »Economist«-Gruppe hat sich die Lage seit 2020 weiter verschärft.

Der Index „wirft ein Licht auf die anhaltenden Herausforderungen für die Demokratie weltweit, unter dem Druck der Corona-Pandemie und der zunehmenden Unterstützung für autoritäre Alternativen“, teilte EIU mit.

Und Deutschland träumt weiter von der durch Moral gesteuerten Wertegemeinschaft. Zu glauben, man könne die eigenen Wertevorstellungen mit Sanktionen gegenüber autokratischen Staaten durchsetzen, sei "abenteuerlich und lächerlich" meint Altkanzler Schröder dazu.

Dabei sollen auch nur noch 6,4 Prozent der Weltbevölkerung so wie die Deutschen in einer "vollwertigen Demokratie" leben. Die Frage ist, ob man wirklich noch in einer "lupenreinen" Demokratie lebt, wenn, wie in Berlin, Wahlergebnisse geschätzt werden, was wahrscheinlich eigentlich an der 5%-Hürde Gescheiterte mit 32 Personen in den Bundestag gehieft hat oder wenn per Quote vorgeschrieben werden soll, wer zur Wahl antreten darf und wer nicht...

ZDFheute: Studie: Demokratien weltweit bedroht

Sonntag, 6. März 2022

Dann gehen bei uns die Lichter aus

 Eine lesenswerte Abrechnung

Dann gehen bei uns die Lichter aus (Cicero)

Energie, Bundeswehr, Finanzpolitik: Der Konflikt mit Russland offenbart immer öfter die Fehler, die sich nicht erst seit der Ampelkoalition in die hiesige Politik eingeschlichen haben. Eigentlich müssten wir unser politisches Personal komplett austauschen, meint unser Kolumnist Jens Peter Paul. Doch auch bei den politischen Spitzenkräften herrscht letztlich Alternativlosigkeit.

VON JENS PETER PAUL am 27. Februar 2022

Auszüge:

...Und die Geschichte ist keineswegs schon zu Ende. Selbst ein Atomkrieg ist nicht länger auszuschließen, wenn einem Mann im Kreml alles egal ist. Ausgerechnet die grüne Außenministerin, der man bei Amtsantritt kaum einen klaren Satz zugetraut hatte, bringt die Katastrophe auf den Punkt: Wenn wir Russland vom Zahlungssystem Swift abschneiden, dann gehen bei uns die Lichter aus."  

...Und weiter: Und natürlich tragen wir eine Verantwortung dafür, dass wir in Deutschland weiterhin eine stabile Strom- und Wärmeversorgung haben." Wladimir Putin, so die Außenministerin, wolle auch eine Destabilisierung bei uns". Denn: Wenn bei uns ein paar Tage der Strom nicht mehr richtig funktioniert, dann hätten wir ein richtiges Problem."  Oha. Irgendjemand scheint es ihr ganz vorsichtig ein weiteres Mal und endlich mit Erfolg erklärt zu haben, wovon Ingenieure und Wissenschaftler jenseits des Merkel-Kosmos seit Jahren sprechen.

...Apropos Loyalität": In der Führungsebene der Bundeswehr ist diese aufgebraucht. Was in einem Heeresinspekteur vorgehen muss, der pünktlich zum russischen Überfall auf die Ukraine seiner Chefin Christine Lambrecht und allen Vorgängerinnen und Vorgängern bis zurück zu Karl-Theodor zu Guttenberg (2009-2011) Totalversagen attestiert, mag man sich kaum vorstellen. Generalleutnant Alfons Mais ist fertig mit dieser Politik und offensichtlich auch mit seiner Karriere.
...Und während die Regierung noch mental mit dem Überfall Putins, 2001 noch gut für stehende Ovationen im Bundestag, auf die Ukraine fertig zu werden versucht, hat jener bereits das nächste Kapitel des Grauens aufgeschlagen: Sollte sich ein NATO-Land erdreisten, der Ukraine beizuspringen, dann werde er mit Atomwaffen antworten.

Diese Aussage ist so ungeheuerlich, dass die taz (!) fassungslos konstatiert: „32 Jahre nach Ende des Kalten Krieges lernen wir jetzt also, dass der Besitz von Atomwaffen einen konventionellen Krieg nicht verhindert, sondern ermöglicht. Die Lehre für den Rest der Welt lautet: Gib nie deine Atomwaffen auf – und wenn du kannst, bau dir welche."

Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf ist blank

 «Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da» (NZZ)

Das deutsche Militär ist mitverantwortlich dafür, die Ostflanke der Nato abzusichern. Aber was könnten die Soldaten im Ernstfall eigentlich leisten? Herzlich wenig, meint der Chef des Heeres.
Deutschland will angesichts der russischen Aggression in der Ukraine dabei helfen, die Ostflanke der Nato zu sichern. Aber ist die Bundeswehr dazu überhaupt imstande? Der höchste Vertreter des deutschen Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, hält die Möglichkeiten der Truppe für «extrem limitiert». In einem für hohe Militärs beispiellosen Schritt hat der 59-Jährige die Einsatzbereitschaft der deutschen Streitkräfte am Donnerstag öffentlich infrage gestellt.

Bundesclowsrepublik Deutschland

 Bundesclownsrepublik Deutschland

Bundesclownsrepublik nannte WELT-Chefredakteur Ulf Porschardt in seinem Kommentar am 28.01.2022 Deutschland und führte aus: „Ob Ukrainekrise, Energiewende oder die unsägliche Corona-Politik: Die Ampel-Koalition lässt keine Chance aus, Deutschland auf groteske Sonderwege zu führen. Die Fixsterne dabei: moralischer Hochmut, Feigheit und Bequemlichkeit. Wir Deutschen sind ein schlechter Witz geworden.“

Heute, am Tage des Einmarsches Russlands in Ukraine, legt er nach:

„Putin hat keine Furcht vor dem Westen – weil wir so schwach geworden sind“

Da der Artikel hinter der Bezahlschranke liegt, hier einige Auszüge:

  • Wladimir Putin kann nur tun, was er will, weil er den Westen in seiner Schwäche durchschaut hat: Vor allem Europa und die Deutschen sind dekadent geworden, sie gängeln ihre Leistungsträger und unterwerfen sich einem naiv-entrückten Zeitgeist. Wir müssen wieder wehrhaft werden.
  • Es ist Krieg in Europa, und es fällt einem beim genaueren Hinsehen wohl kaum eine Gesellschaft ein, die in ihrer Selbstverliebtheit und moralischen Gewissheit weniger auf einen solchen Krieg vorbereitet ist als die deutsche.
  • Die 5000 deutschen Helme für die Ukraine müssen Putin und seine Oligarchen-Clique amüsiert haben, weil sie gewissermaßen eine Pointe über ein nicht erwachsenes Land in Europa liefern, das es mit einem Despoten nicht wird aufnehmen können – und wollen. Man mag sich das Amüsement über die Idee einer feministischen Außenpolitik (und feministischer Verteidigungsministerinnen) vorstellen, während im Kreml die Invasion in die Ukraine minutiös geplant wird.
  • Die Freiheit wird nicht am Tampon-Behälter in der Männertoilette verteidigt, eher am Hindukusch und ganz konkret in der Ukraine, in Kiew, in der Ostukraine und im ganzen Land.
  • Das Feiern eines luschigen, passiv-aggressiven Wohlstandszersetzungsaktivismus, das verlogene und verlorene Menschenbild, wie es auf evangelischen Kirchentagen und in der zeitgenössischen Kultur so verbreitet wird: Dieses Mainzelmännchen-Deutschland, wie Karl Heinz Bohrer es so richtig genannt hat, ist für Putin und die Chinesen höchstens ´ne Lachnummer
  • Die kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Debatten der vergangenen Jahre waren Ausdruck einer geradezu liebenswerten Naivität und Entrücktheit, die sich jetzt rächen könnten.
  • Wenn wir nicht anfangen, Realpolitik statt Moral ernst zu nehmen, wenn wir nicht bei allem, was wir tun, strebsam überlegen, ob es den Westen, die Freiheit, die Demokratie stärkt, wird das eng. Putin und auch die Chinesen verstehen nur eine Politik der Stärke.
  • Wir sind schwach. Schlimmer noch, wir demontieren lustvoll jene Bereiche, in denen wir wirtschaftlich noch stark sind. Wir gängeln in so vielen Debatten die Leistungsträger, die Stärksten und Leistungswilligsten. Unsere furchtbare Gerechtigkeitskultur wird von der angelsächsischen Erfolgskultur belächelt. Putin sieht in unserem Eckenstehertum und unserer Naivität eine Einladung, uns zu demütigen. Entweder wir steuern um oder wir sind irgendwann dran.

Die USA sind uns meilenweit voraus, weil die Politik dort auf Experten setzt

Gabor Steingart: USA vs. Deutschland

Die USA sind uns ökologische meilenweit voraus, weil die Politik dort auf Experten setzt. 

(... während Deutschland von ungelernten Laien regiert wird).

Aktien, Gehälter, Vermögen – überall sind uns die USA mehr als einen großen Schritt voraus. Dort gehört es für die US-Präsidenten seit jeher zum guten Ton, Experten aus der Wirtschaft in die Regierungszentrale zu berufen. Das macht sich bezahlt. Anders als in Deutschland. In der Wirtschaftsentwicklung fällt ein Vergleich mit den USA für Deutschland wenig schmeichelhaft aus, schreibt Gabor Steingart.

Seine Gründe:

  • Ungleiche Entwicklung ökonomischer Kompetenz in der deutschen Politik
  • Nicht nur die politischen Parteien haben sich gegen erfolgreiche Manager und Wirtschaftsmanager abgeschirmt, auch die Männer und Frauen der Wirtschaft meiden das Risiko einer politischen Karriere.
  • In Deutschland bevölkern Verwaltungsjuristen, Lehrer und Bummelstudenten die politischen Schaltzentralen
  • An dem Prozess der privaten Wohlstandserzeugung hat die Mehrzahl der Bundestagsabgeordneten während eines Schülerpraktikums teilgenommen. Sie sind Experten im Versprechen und Verteilen
  • In den USA herrscht ein intensives Beziehunsgeflecht zwischen Politik und Wirtschaft
  • Während im Deutschen Bundestag mit 735 Sitzen 51 Unternehmer und Unternehmerinnen vertreten sind, sitzen im US-Kongress von 541 Volksvertretern 320, die direkt aus der Wirtschaft stammen.
  • US-Wirtschaftsminister und Finanzminister werden in aller Regel nicht mit Parteisoldaten, sondern mit erfolgreichen Wirtschaftsbossen besetzt.
  • Auch im linken Spektrum sind Kenner des Wirtschafts- und Finanzwesens unterwegs