Corona und die Medien
„Normalbürger müssen sich keine großen Sorgen machen“
Von Frank Lübberding
Seit Anfang 2020 prägen die Medien unseren Blick auf Corona. Doch haben sie die Krise mit all ihren Unsicherheiten angemessen abgebildet? Eine chronologische Liste exemplarischer Aussagen aus den letzten zwei Jahren – besonders eine Tendenz fällt auf.
Am Anfang der Pandemie gab es eine grundlegende wissenschaftliche Einsicht: Unser Wissen über ein neues Virus ist immer vorläufig. Es wird also neue Erkenntnisse und darauf beruhende veränderte Schlussfolgerungen geben. Unter dieser Prämisse ist der Irrtum die Grundlage des Fortschritts.
Von dieser Einsicht hat sich die deutsche Gesellschaft sehr schnell verabschiedet. Bald ging es in der Debatte nicht mehr um die Wissenschaft und deren Diskurse, sondern um die Legitimation politischer Entscheidungen. Diese sind in Demokratien zwangsläufig umstritten. Menschen haben unterschiedliche Interessen. Sie setzen in ihrem Wertegefüge unterschiedliche Prioritäten. Gruppen mit gesichertem Einkommen in der Pandemie schätzen die Risiken staatlicher Pandemiebekämpfung anders ein als solche, deren wirtschaftliche Existenzgrundlage zerstört wird.
Unsere Übernahme des chinesischen Lockdown-Modells im März 2020 war der Kern politischer Konflikte. In freien Gesellschaften werden solche offen ausgetragen, eine wichtige Rolle spielen dabei die Medien. Dort gab es eine beunruhigende Entwicklung zu beobachten. Konflikte wurden nicht mehr als legitim betrachtet, sondern der politische Gegner zunehmend als illegitimer Feind angesehen.
Diese Zitatensammlung ist der Versuch einer Rekonstruktion dieser Konflikte. Die Auswahl ist subjektiv, vieles fehlt, darunter fremde und eigene Irrtümer. Niemand erwartete im Januar 2020, was uns in den kommenden beiden Jahren bevorstehen würde. Die Zitate haben folglich nicht den Zweck, anderen ihre Fehleinschätzungen vorzuwerfen. Hier sitzen alle Medien im selben Glashaus.
Die Sammlung soll vielmehr den kritischen Sinn für einen Diskurs schärfen, der sich in einem atemberaubenden Tempo in den Kategorien des Freund-Feind-Denkens verselbständigte. Viele beanspruchten zunehmend einen Monopolanspruch.
Es handelt sich bei dieser Zitatensammlung allerdings nicht nur um einen Rückblick, sondern zugleich um einen Warnruf als Ausblick: Die liberale Gesellschaft droht ihre vielbeschworenen Werte zu verlieren. Einer unserer wichtigsten Grundwerte ist der politische Streit als tragende Säule unserer Verfassung. Entscheidend ist nicht, wer ein Argument formuliert, sondern die Stichhaltigkeit des Arguments. Man muss also in einer Demokratie immer davon ausgehen, dass sogar ein Gegner die besseren Argumente hat.
Zwei Jahre Pandemie in den Medien
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 24. Januar 2020:
„In China wurden allerdings in den vergangenen Tagen mehrere Millionenstädte mit der Einwohnerzahl Nordrhein-Westfalens unter Quarantäne gestellt, zudem die chinesischen Neujahrsfeiern wegen des Coronavirus abgesagt. Man ahnt, was die Welt in den kommenden Wochen beschäftigen könnte. Milchmädchenrechnungen werden wir uns bei dem Thema nicht leisten können.“
„Zur ‚Einordnung‘ betonte Spahn, dass der Krankheitsverlauf beim Coronavirus milder sei als etwa bei einer Grippe. ‚An einer Grippe, wenn sie schwer verläuft, sterben in Deutschland bis zu 20.000 Menschen im Jahr.‘ Auf die Frage, ob in Deutschland wie in China auch die Abschottung ganzer Städte möglich sei, führte Spahn das Beispiel von Masern an, die deutlich ansteckender seien als das Coronavirus. ‚Und wir bekommen auch einen Masern-Ausbruch in Deutschland mit deutlich milderen Maßnahmen in den Griff, als wir sie derzeit in China sehen.‘“
„Harmlos ist das neue Coronavirus aber keinesfalls, gleichzeitig mahnen Wissenschaftler immer wieder zur Besonnenheit.“
Bayerischer Rundfunk, 30. Januar 2020:
„Es gibt natürlich auch die, die immer erregt sein wollen, weil Erregung das Zentrum ihrer politischen Arbeit darstellt. Martin Sellner von der Identitären Bewegung etwa zwitscherte: ‚Das Wuhan Virus verbreitet sich rasend schnell. Offene Grenzen bedeuten auch offene Grenzen für Viren.‘ Wer die Apokalypse zur Basis seines Denkens macht, der schlägt Maßnahmen zu deren Verwirklichung vor. (…) Kein Verkehr mehr, Flugzeuge bleiben am Boden, Züge fahren nicht, quasi Generalstreik, die Wirtschaft erlahmt, Krise, und schon hätte man genau das, was man draußen halten will: das Desaster. Natürlich beteiligt sich auch der Asthma-Anfall für Deutschland, kurz AfD, an der Paranoia-Produktion. Und rechte YouTuber kriegen sich vor lauter Endzeitpsychosen gar nicht mehr ein. (…) Warum sind so viele so leicht mit Verschwörungstheorien zu infizieren?“ (Der Beitrag des Magazins „quer“ wurde inzwischen gelöscht, ist aber hier noch zu sehen, Anm. d. Red.)
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 31. Januar 2020:
„Aufklärung vor Zuspitzung, Einordnung vor Panikmache. Mit aller Macht hat sich ihre Talkrunde (Maybrit Illner, Anm. d. Red) an diesem Abend gegen den Verschwörungs- und Panikstrom im Netz gestellt – und das war in dieser Einträchtigkeit schon eine wirklich reife Leistung. (…) ‚Die ganz große Angst ist diesmal raus‘, damit machte Lee am ehesten deutlich, warum der Panikfunke, der bisher vor allem in den sozialen Netzwerken aufblitzt, so recht nicht auf das breite Volk überspringen will.“
Deutschlandfunk Nova, 4. Februar 2020:
„Normalbürger müssen sich keine große Sorgen machen, dass sie angesteckt werden und erkranken, sagt Christian Drosten, auch wenn das gerade bei vielen Menschen der Fall ist. ‚Aber bei einer nüchternen, wissenschaftlichen Betrachtung ist das jetzt eher für Gesundheitsplaner ein Thema, für Personen, die im Gesundheitssystem Verantwortung haben.‘“
„Ärzteblatt“, 14. Februar 2020:
„Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 wird voraussichtlich ‚wie eine schwere Grippewelle durch Deutschland laufen‘. Das hat Lothar H. Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), gestern bei einer Pressekonferenz in Berlin betont. Wichtig sei, durch Eindämmungsmaßnahmen Zeit zu gewinnen, um die Erkrankungswelle von der saisonalen Grippe zu entkoppeln, die seit Januar bereits 60 Menschenleben gefordert habe.“
„Süddeutsche Zeitung“, 6. März 2020:
„Manche Information ist an sich nicht falsch, kommt aber in der Öffentlichkeit falsch an. In ihrem Bemühen, zu beruhigen, haben Experten anfangs die Botschaft verbreitet, man solle sich eher vor der Grippe fürchten. Tatsächlich war und ist sie viel verbreiteter als Coronavirus-Ansteckungen. Doch der Grippevergleich hat sich zum großen Missverständnis entwickelt. Bei vielen Menschen kam schlicht an, die neue Krankheit Covid-19 sei im Vergleich zur Influenza harmlos.“
„Ohne das ganze mediale Tamtam würde viel weniger Schaden entstehen. Diese Behauptung bringt uns gleich auf den Kern der medialen Berichterstattung über Krisensituationen. Berichtet man flächendeckend über eine Krise oder Pandemie, heißt es oft, das sei ‚Panikmache‘. Tut man es nicht ausgiebig, heißt es: ‚Die verheimlichen doch etwas.‘ Was bedeutet eine verantwortungsvolle Berichterstattung in Zeiten von Corona? Die Medien müssen einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Bewusstseinsbildung und dem Schutz der Gesundheit leisten, etwa durch Aufklärung darüber, wie man sich im Alltag verhalten soll, um das Risiko einer Ansteckung zu verringern. Die Berichterstattung muss aber faktenbezogen und sachlich sein. Risiken und Gefahren müssen geschildert werden, doch dies muss besonders gewissenhaft recherchiert und durch die Meinung von Experten untermauert werden.“
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 30. März 2020:„Wer verunsichern will, muss manchmal nur die richtigen Fragen stellen. Zum Beispiel: ‚Corona-Krise: Fehlerhafte Daten Grundlage weitreichender politischer Entscheidungen?‘ So tut es das Internetportal ‚Sputnik Deutschland‘ am Wochenende. In dem Artikel stellt es gleich zu Anfang in Frage, dass das Coronavirus krank mache, denn es gehe ja um ‚die von ihm mutmaßlich ausgelöste Krankheit Covid-19‘. Und dass soziale Distanz helfen soll, sich vor der Ansteckung zu schützen, dafür fehle die ‚Evidenz‘. Zudem werde die Sterberate überschätzt. Überhaupt: Das Robert-Koch-Institut und die Bundesregierung wollten ‚Angst und Panik‘ schüren, schreibt Sputnik unter Berufung auf ein wenig bekanntes Online-Portal. Und so geht es weiter, die verschwörungstheoretischen Weiten des Internets bieten dafür reichlich Quellen.“
„tageszeitung “, 30. März 2020:
„taz: Frau Kirchhoff, seit über einer Woche gilt in Deutschland das sogenannte Kontaktverbot. Bis zum 20. April soll es mindestens noch gelten. Wie lange halten die Menschen das aus?
Christine Kirchhoff: (Psychologin, Anm. d. Red.) Ich fürchte, nicht besonders lange. Was mich aber viel mehr beschäftigt: Auf welcher Grundlage wird über solche Maßnahmen entschieden? Auf Dauer wird es nicht funktionieren, dass man solche Entscheidungen allein auf Grundlage medizinischer Erkenntnisse trifft. Das sind politische, gesellschaftliche Entscheidungen. Da muss man abwägen. Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft und nicht in einer, die von Experten regiert wird. Corona ist eine ernste Gefahr, ich finde die Maßnahmen auch sinnvoll, aber es fehlt eine Diskussion.“
ARD-Faktenfinder, 6. April 2020:
„Wann hat Spahn was gesagt? (…) 26. Februar: Man könne nicht ‚das gesamte öffentliche Leben in Deutschland, Europa und der Welt beenden‘, so der Minister, zumal die Lage in China und Italien zeige, dass es ‚das Infektionsgeschehen nicht beendet‘, wenn man ganze Orte abriegele.‘“
„Tagesspiegel“, 24. April 2020:
„Zweifel an dem erfolgreichen Krisenmanagement in Russland sind indes angebracht. Bis Ende März wurde die Krise in Russland offiziell geleugnet. Noch am 27. März betonte ein Kreml-Sprecher nach Angaben von BBC, dass es in Russland mit etwa 1000 Fällen ‚de facto keine Epidemie’ gebe. Der Druck wuchs jedoch, selbst systemtreue Kräfte wie der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin kritisierten, dass zu wenig getestet werde. ‚Das reale Bild kennt keiner‘, sagte Sobjanin nach einem Bericht der russischen Zeitung ‚Novoe Vremja‘. Als die offizielle Leugnung der Epidemie unhaltbar wurde, wandte sich Putin Ende März mit einer Videobotschaft an das Volk. Er ordnete eine arbeitsfreie Woche bei voller Lohnfortzahlung an und verlängerte diese eine Woche später bis Ende April. (…) An der Darstellung von RT Deutsch und Sputnik, dass Russland die Krise im Griff habe, sind also Zweifel angebracht.“
„Schwäbische.de enttarnt von Montag bis Freitag Fake-News und Verschwörungstheorien zur Corona-Krise. (…) In der Öffentlichkeit wird gegenwärtig kontrovers über eine angebliche Impfpflicht diskutiert. In diesem Kontext verwischen Fakten mit Spekulationen und Interpretationen. Das führt mitunter zu dem Vorwurf, eine Impfpflicht sei von der Bundesregierung bereits beschlossen worden. (…) UPDATE vom 1. Dezember 2021: Dieser Text stammt vom Mai 2020, damals war eine Impfpflicht weder absehbar noch gesellschaftlich oder politisch gewünscht. Ende 2021 hat sich die politische und gesellschaftliche Debatte gedreht, eine Impfpflicht wird breit diskutiert.“
„Was dran ist am Impfzwang-Geraune? Impfgegner und Verschwörungstheoretiker im Netz behaupten derzeit, dass die Bundesregierung mit einem neuen Gesetz einen Impfzwang gegen das Coronavirus einführen will. Das ist jedoch falsch. (…) Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums vermutet hinter dem Online-Geraune zu dem Gesetz eine Agenda: ‚Es handelt sich um eine Kampagne, die in den Sozialen Medien losgetreten wurde, wo fälschlicherweise behauptet wurde, eine Impfpflicht wäre geplant.‘“
„Auch in dieser Weltkrise steht Deutschland erneut als einer der wenigen Sieger da: weniger Tote, mehr Tests, leere Intensivstationen, bald wieder volle Innenstädte, Freiheit statt Ausgangssperre, Schnellstart der Wirtschaft. Es ist, als höre es nie auf mit der deutschen Überlegenheit.“
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 15. Juni 2020:
„Verkürzt gesagt lässt sich Chinas Umgang mit der Epidemie in zwei Phasen einteilen: In der ersten Phase vertuschten verschiedene staatliche Stellen den Ausbruch und trugen so zur Verbreitung des Virus bei. In der zweiten Phase ergriff China restriktive Maßnahmen zur Eindämmung des Virus, die dazu führten, dass die Epidemie unter Kontrolle gebracht werden konnte. Chinas Kommunikationsstrategie besteht darin, die erste Phase vergessen zu machen.“
„Süddeutsche Zeitung“, 20. Juni 2020:
„Dabei fällt eines auf: Landauf, landab unterscheiden sich die Medien nicht in ihrer grundsätzlichen Sicht auf die Pandemie.“
„Süddeutsche Zeitung“, 10. Juli 2020:
„Viele der Länder, die besonders erfolgreich im Kampf gegen das Virus sind, werden von Frauen gelenkt, das so gut wie virusfreie Neuseeland wird dafür gern als Beispiel herangezogen, aber auch Deutschland. Die Regierungschefinnen macht nicht einfach nur ihr Geschlecht zu besseren Anführerinnen in der Krise. Der große Unterschied liegt darin, dass sie Experten in ihre Entscheidungen einbeziehen. Wissen und Informationen, so scheint es, sind vorerst die einzige Medizin gegen das Virus, sie passen aber nicht zusammen mit dem Führungsstil eines präsidialen Macho.“
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 29. August 2020:
„Wer sich in den vergangenen Monaten Talkshows von ARD oder ZDF angesehen hat, kann die Texte von Christian Drosten, Hendrik Streeck, Alexander Kekulé, Marylyn Addo oder Melanie Brinkmann nachbeten. Von einer ‚Identität von Virus und Maßnahmen‘ kann keine Rede sein, grundsätzliche Infragestellungen der Corona-Maßnahmen gab es und gibt es zuhauf.“
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 9. Oktober 2020:
„Der Europäische Auswärtige Dienst stellte schon vor Monaten fest, Russland und auch China versuchten, die Corona-Pandemie im eigenen Interesse zu instrumentalisieren und dabei oft die Glaubwürdigkeit der EU oder europäischer Institutionen zu untergraben. (…) Es hat in der Bundesregierung und im europäischen Rahmen schon mehrfach Erörterungen gegeben, wie mit den Desinformations-Strategien Russlands und anderer Länder umzugehen sei. Der Konsens lautet bislang, es sei nicht sinnvoll, auf gleiche Weise mit Gegenpropaganda zu antworten; wohl aber müssten Warnungen und die Aufklärung über die betreffenden Sachverhalte verstärkt werden. Bislang wird den Versuchen, über Fehlinformationen gezielt Einfluss zu üben, nur begrenzte Wirkung zugemessen.“
„tageszeitung“, 13. Oktober 2020:
„Die Glaubwürdigkeit deutscher Medien hat einer Umfrage zufolge seit 2015 einen neuen Höchstwert erreicht. 67 Prozent der Deutschen halten die Informationen in den Medien für glaubwürdig, wie die am Montag in Köln veröffentlichte repräsentative Erhebung des Instituts Infratest dimap im Auftrag des WDR ergab.“
„tageszeitung“, 15. Oktober 2020:
„In der Pandemie ist nämlich die Abhängigkeit der Medien von den Ansagen und Maßnahmen offizieller Stellen, Behörden und der Politik ebenfalls gestiegen. Doch 46 Prozent der Befragten der ICFJ-Studie sagen, ausgerechnet Politiker*innen und andere offizielle Stellen seien ‚Top-Quellen für Desinformation‘. Donald Trump ist also nicht allein. Außerdem sind das sind in erster Linie Ansagen aus einer englischsprachigen Medienwelt, in der die schlimmsten Schurkenstaaten in Sachen Pressefreiheit und Zensur nicht mal vorkommen. (…) Umso dringlicher ist, dass Facebook & Co. endlich Ernst machen und selbst energischer gegen Desinformationsspreader und Verschwörungsmaschinen in ihren Diensten vorgehen.“
„Süddeutsche Zeitung“, 17. Oktober 2020:
„Mich beunruhigen seit Monaten die vielen Trompeter im Corona-Panikorchester. Sie verbreiten Angst und Schrecken. Als Medienforscher beobachte ich mit großer Sorge den Overkill, mit dem Leitmedien, insbesondere das öffentlich-rechtliche Fernsehen, aber auch Zeitungen wie ‚Süddeutsche Zeitung‘ oder „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, über die Pandemie berichten. Meine These: Nicht die Regierenden haben die Medien vor sich hergetrieben, wie das Verschwörungstheoretiker so gerne behaupten. Vielmehr haben die Medien mit ihrem grotesken Übersoll an Berichterstattung Handlungsdruck in Richtung Lockdown erzeugt, dem sich die Regierungen in Demokratien kaum entziehen konnten.“
„Diejenigen, die in den vergangenen Monaten den Eindruck gewonnen haben, Corona könne ihrem Leben und dem ihrer Liebsten nichts anhaben, werden nun zum großen Problem. Denn sie liegen falsch: Selbst wenn das eigene Risikoprofil Entwarnung für eine Infektion gibt, so sind die Folgen eines achtlosen, oder wie Borwin Bandelow wohl sagen würde, eines respektlosen Umgangs mit Corona fatal.“
„Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, 16. November 2020:
„Schützt uns die Demokratie? Die hohen Ansteckungs- und Todeszahlen in vielen westlichen Ländern werfen die beunruhigende Frage auf, ob offene Gesellschaften weniger geeignet sind, auf globale Bedrohungen wie die Pandemie oder den Klimawandel zu reagieren als autoritäre Systeme. (…) Als die Kanzlerin die Regelungen des November-Lockdowns erläuterte, sagte sie in beiläufigem Ton etwas Beunruhigendes. Sie war gefragt worden, ob die Bürger jetzt den Preis dafür zahlen, dass sich die Ministerpräsidenten und sie nicht schon zwei Wochen zuvor zu strengeren Einschränkungen hatten entschließen können. Das sei ‚theoretisch richtig‘, antwortete Angela Merkel dann tatsächlich: Doch damals habe es einfach keine ‚politische Akzeptanz‘ für Kontaktbeschränkungen gegeben.“
„Mehr als einmal hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Sommer betont, wie vorbildlich Deutschland durch die erste Welle der Corona-Krise gekommen sei. ‚Europa schaut eigentlich etwas bewundernd auf Deutschland‘, hatte er etwa am 30. April betont. Aber davon ist derzeit nicht mehr viel zu hören. Im Gegenteil: Deutsche Politiker sind seit Tagen erkennbar verunsichert, weil die Zahl der Neuinfektionen trotz mehrfacher Verschärfungen der Maßnahmen weiter steigt – in Ländern wie Sachsen, Thüringen und Bayern sogar drastisch. ‚Corona ist außer Kontrolle geraten‘, sagt Söder nun. ‚Wenn wir nicht aufpassen, wird Deutschland schnell das Sorgenkind in ganz Europa.‘“
„Die Pandemie hat in ihrem Verlauf ja einige dieser scheinbaren Revoluzzer hervorgebracht. Hendrik Streeck zum Beispiel, oder Klaus Stöhr. Von den vielen anderen Medizinern, die von Epidemiologie und vor allem dem Sars-Virus keine Ahnung haben und zumindest kurzzeitig mit streitbaren Thesen in den Corona-Diskussionen nach oben gespült wurden, ganz zu schweigen. ‚False Balance‘ oder falsche Gleichgewichtung heißt das Prinzip, bei dem Minderheitenmeinungen in der Forschung zu viel Raum in der Berichterstattung eingeräumt wird und damit der Eindruck entsteht, sie wären gleichbedeutend mit dem wissenschaftlichen Konsens.“
„SPIEGEL: Glauben Sie, dass die sogenannte Zero-Covid-Strategie, deren Ziel es ist, die Zahl der Neuinfektionen bis auf null zu senken, jetzt der richtige Weg ist?
Christian Drosten: Ich glaube schon, dass das möglich wäre, mit großen Anstrengungen. Natürlich würde das Virus immer wieder aufflackern, so wie das ja auch in China und Australien geschieht. Aber es wäre absolut erstrebenswert, jetzt auf die Null zumindest zu zielen. Vor allem, weil ich schlimme Befürchtungen habe, was sonst im Frühjahr und Sommer passieren könnte.“
„Tagesspiegel“, 21. Februar 2021:
„Die vorige Woche publizierten Daten des Edelman Trust Barometer spiegeln ein noch krasseres Bild: Rund 60 Prozent der Befragten finden, die Journalisten würden nicht überparteilich und objektiv berichten, sondern politische Positionen und Ideologien vertreten. Die Deutung ist also gut belegt, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung die Mainstreammedien für regierungsgläubig hält und sie deshalb intensiv nutzt, weil man die Verlautbarungen der anordnenden Politiker und Magistraten detailliert erfahren und interpretiert haben möchte.“
„tageszeitung“, 1. April 2021:
„Felix Kolb: (Vorstand von „Campact“, Anm. d. Red.) Aber Journalist*innen vergessen oft, dass sie nicht nur neutrale Beobachter*innen sind, sondern durch ihre Berichterstattung selbst zu Akteur*innen werden. Wenn x Medien sagen, man solle mit der zweiten Welle mal nicht so eine Panik machen, senden sie damit auch Signale an die Politik und beeinflussen deren Wahrnehmung.“
„Frankfurter Rundschau“, 9. April 2021:
„Ein Virus hat die Gesundheitssysteme der wohlhabendsten Länder dieser Erde zusammenbrechen lassen. Das soziale Leben ist durch das Coronavirus zum Stillstand gekommen. In den Nachrichten waren Bilder aus Italien zu sehen, wo das Militär die Coronatoten aus Bergamo abtransportierte, weil die örtlichen Friedhöfe überfüllt waren. In New York sterben die Menschen derart schnell, dass Strafgefangene Massengräber ausheben müssen. In deutschen Krematorien stapeln sich die Särge. Standesamtmitarbeiterinnen müssen an Weihnachten arbeiten, um im Akkord Sterbeurkunden ausstellen zu können. Es ist ernst. Verdammt ernst. Inmitten all dieser Geschehnisse marschieren Menschen durch die Innenstädte Deutschlands und protestieren gegen Maßnahmen gegen das Coronavirus, die diese Pandemie eindämmen könnten. Sie marschieren in grober Missachtung des Infektionsschutzgesetzes. Ohne Abstand. Ohne Maske.“
„Tagesspiegel“, 24. April 2021:
„Heike Makatsch schrieb am Freitagmorgen auf Instagram: ‚Ich distanziere mich klar und eindeutig von rechtem Gedankengut und rechten Ideologien.‘ Ihr Video (in der Aktion #allesdichtmachen, Anm. d. Red.) zog sie zurück. Schauspielerin Meret Becker (‚Tatort‘) und ihr Kollege Ken Duken (‚Traumfabrik‘) übten Selbstkritik. Kunst müsse Fragen stellen können, sagte Becker auf Instagram. ‚Aber diese Aktion ist nach hinten losgegangen.‘ Sie werde das Video runternehmen lassen. ‚Und ich entschuldige mich dafür, dass das falsch verstanden werden konnte.‘ Becker sagte, sie lasse sich impfen, trage Maske, halte Abstand und lasse sich regelmäßig testen. Dass die Aktion instrumentalisiert werde von der rechten Seite, sei das Letzte, was sie gewollt habe.“
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 25. April 2021:
„Alle zusammen (die Videos von #allesdichtmachen, Anm. d. Red.) fügen sie sich zu einem beklemmend geschlossenen Weltbild, das weitgehend dem der sogenannten Querdenker entspricht. Geschlossene Theater: Mist. Masken: Mist. Schnelltests: Mist. Abstand halten: Mist. Man muss schon dankbar sein, dass niemand gegen das Impfen wettert.“
„Die Inzidenz in Deutschland sinkt unter 50, während sie in Schweden zuletzt bei 168 lag. Ist der schwedische Sonderweg gescheitert? (…) Doch Tegnell bleibt bei seinem Kurs – trotz aller Kritik, trotz des Ergebnisses einer Untersuchungskommission, die anprangerte, Alte und Pflegebedürftige nicht genug geschützt zu haben. Tegnell sagte erst neulich, dass man mit Freiwilligkeit in Schweden mehr erreicht habe als mir Restriktionen. Einen harten Lockdown gab es nicht, anders als in den Nachbarländern Dänemark, Finnland und Norwegen, die unter dem Strich bessere Zahlen aufweisen. (…) Und was ist mit der Frage, ob ein anderer, härterer Kurs hätte mehr bewirken können? Viele Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitsbereich sehen das so. Bei einem Lockdown gerade in der ersten Welle hätte es wohl deutlich weniger Tote gegeben und auch insgesamt viel weniger Neuinfektionen.“
„Impfungen, hieß es, sind der westliche Weg aus der Pandemie. Die Strategien der Unfreiheit, wie etwa Shutdowns, waren nur für den Übergang vorgesehen. Und es hat sich gezeigt, dass sich die meisten Demokratien des Westens damit schwerer tun als das autoritäre China, das permanent auf Strategien der Unfreiheit zurückgreift und darin geübt ist. Mit der Unfreiheit fremdeln Demokratien naturgemäß. Mit der Freiheit sollten sie klarkommen. Was folgt daraus? Ein neues Denken, eine klare Haltung, eine grundsätzliche Entscheidung. Zum Beispiel diese: Wir sind bereit, mit Corona zu leben, so wie wir mit der Grippe oder anderen Krankheiten leben. Das Ziel ist Eindämmung, nicht Ausrottung.“
„Süddeutsche Zeitung“, 11. Juni 2021:
„Gegen die Logik der Gefahr wird die Logik der Absicherung und der Übertreibung aufgeboten. Rechnet man mit dem Schlimmsten, ist man später auf der sicheren Seite. Wer weiterhin vor Gefahren warnt und apokalyptische Schreckensbilder malt, dem ist nicht nur verstärkte Aufmerksamkeit sicher, sondern der gilt auch als hellsichtiger Mahner und sichert sich nebenbei seine Stellung als unverzichtbarer Experte. Diese Selbstverstärkungsmechanismen tragen dazu bei, dass uns die vertrauten Stimmen der Corona-Erklärer, Warner und Mahner noch eine Weile erhalten bleiben werden.“
„Schwarzwälder Bote“, 28. Juni 2021:
„In einer freistehende Hütte beim ‚Großen Grund‘ waren laut Polizei mindestens 15 Feiernde aufgefallen, die die Musik laut aufgedreht hatten und nahe beisammen standen oder saßen ohne eine Maske zu tragen. Mit mehreren Beamten wurde das bunte Treiben gegen 2.30 Uhr von der Polizei schließlich beendet und aufgelöst. Ein Teil der Feiernden hatte sich allerdings bereits schon auf und davon gemacht, als die ersten Streifenwagen auf das Gelände fuhren. Nachdem die Personalien der Party-Teilnehmer von den Beamten aufgenommen worden waren und sie belehrt wurden, erfolgt nun eine Anzeige bei der Stadt Schramberg wegen der Verstöße gegen die Corona-Verordnung.“
„tageszeitung“, 11. August 2021:
„Stattdessen gab es einerseits eine ungesunde Fixierung auf ‚Querdenker*innen‘ und Impfverweigerer. Die waren ja auch gutes Material, schrill, bunt, Hippies Hand in Hand mit Nazis. Mir schien es, als bräuchte man in den Redaktionen diese irgendwie als skurril, verwirrt und lachhaft wahrgenommenen Gestalten, weil sich so eine eindeutige Position beziehen ließ: Im Kontrast zu ‚Querdenken‘ war es einfach, vernünftig und humanistisch zu sein. (…) Das journalistische Homeoffice wurde so teilweise zum Elfenbeinturm, Statistiken verkamen zu einer Form der Selbstvergewisserung. Journalismus hat den Anspruch, objektiv zu sein; es scheint aber zu wenig Bereitschaft gegeben zu haben, sicheres Terrain zu verlassen. Es hätte eines Journalismus bedurft, der jenen eine Stimme gibt, die keine Pressekonferenzen abhalten, kurzum: Eines engagierten, auch aktivistischen Journalismus. Sagen, was ist, heißt auch: sagen, was besser sein muss.“
„Süddeutsche Zeitung“, 12. Oktober 2021:
„Letzteres trifft auf die beiden Videos (der Aktion #allesaufdentisch, Anm. d. Red.) zu, die Youtube entfernt hat. Weil auch Geimpfte das Coronavirus weiterverbreiten könnten, ‚nützt Ihnen die Impfung nichts‘, sagt der Neurobiologe Gerald Hüther: ‚Sie können sich nur davor schützen, dass Sie auf der Intensivstation landen.‘ Im anderen Video behauptet Stephan Luckhaus von der Uni Leipzig, die Impfung schütze nur für einen ‚extrem begrenzten Zeitraum‘ vor der Delta-Variante. Der Großteil der Menschen, die üblicherweise den ÖPNV nutzten, sei längst immun gegen den ‚Wild-Typ‘ des Virus. Sie hätten sich infiziert, ohne es zu merken. ‚Dass durch die Impfung die Infektionskette unterbrochen wird, ist hanebüchener Unsinn‘, sagt Luckhaus. Als Mathematiker sei er vielleicht ‚etwas weniger wundergläubig‘ als andere Leute. Als ‚hanebüchenen Unsinn‘ empfinden solche Aussagen viele Forscherinnen und Forscher, die sich beruflich nicht mit Mathematik, sondern mit Coronaviren beschäftigen – und offenbar auch Youtube. Man habe die Videos entfernt, da sie gegen die Richtlinien zu medizinischen Fehlinformationen verstießen, teilte die Plattform den Machern mit.“
„tageszeitung“, 9. November 2021:
„Ein Ergebnis (einer Studie der Universitäten in Mainz und München, Anm. d. Red.) lautet, dass die ‚untersuchten Nachrichtenmedien nicht völlig unkritisch insbesondere gegenüber den Regierungen in Bund und den Ländern waren‘. Laut der Studie bemängelten sie bei Kritik vor allem, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, um die Pandemie einzudämmen. Negative Folgen für Wirtschaft und die psychosoziale Gesundheit durch die Pandemiemaßnahmen berichteten die untersuchten Medien vergleichsweise selten.“
„Tagesspiegel“, 10. November 2021:
„Und noch etwas fällt auf: Mit zunehmender Dauer der Pandemie konzentrierte sich das Medieninteresse vor allem auf Karl Lauterbach. Wie stark der SPD-Politiker zum Gesicht der Pandemie wurde, zeigt auch die zweite Studie von FU Berlin und der australischen Victoria University of Wellington mit dem Titel ‚Corona-Sprechstunde mit Maybrit Illner, Anne Will & Frank Plasberg‘. Per Inhaltsanalyse wurde ermittelt, ob ausgewählte Polit-Talkshows ‚parteilich und oberflächlich oder ausgewogen und informativ‘ waren. Untersucht wurde der Zeitraum Januar 2020 bis Juli 2021. 22 Mal war Lauterbach in dieser Zeit Gast in den TV-Talks, andere Politiker wie Olaf Scholz oder Markus Söder kommen ‚nur‘ auf zwölf Einladungen. Wobei Lauterbach als Epidemiologe sowohl den 77 Wissenschaftlern als auch den 67 Politikern zugerechnet werden konnte.“
„Wir sind drauf und dran, den Kampf gegen Corona zu verlieren, weil wir unvorsichtig waren, zu langsam geimpft und die Warnungen der Mediziner zu lange ignoriert haben. Ja, Sie haben richtig gelesen: Sie und ich und 83 Millionen weitere Bürger dieses Landes. Aber wieso, rufen Sie jetzt empört aus, ich habe mich doch impfen lassen, ich trage eine Maske, wasche mir regelmäßig die Hände und verhalte mich auch sonst sehr vorsichtig! Machen Sie bestimmt, und das ist natürlich gut. Doch im Ringen mit einem übermächtigen Gegner reicht es nicht, wenn Sie und Millionen unserer Mitmenschen sich verantwortungsvoll verhalten – ein paar Millionen andere aber nicht. Dann gewinnt das Virus, dann frisst es sich durch die gesamte Gesellschaft, bis alle immunisiert oder tot sind. Erst dann stirbt das Virus aus. Oder es mutiert, und das Drama beginnt von vorn.“
„Abendblatt“, 22. November 2021:
„Ungeimpft? Jetzt reicht es! (…) Ich muss zugeben, meine Geduld ist am Ende. Langsam, aber sicher wird mein Unverständnis zur echten Wut. Das liegt zum einen an den Nachrichten, die man in ihrer Heftigkeit ja schon manchmal gar nicht mehr ertragen kann. An dem Mitgefühl für die Menschen in den Kliniken und Praxen, die das Zaudern der Ungeimpften ausbaden müssen. Aber ganz konkret liegt es an diesem Wochenende daran, dass wir wieder einmal liebe Freunde zurückgestoßen haben, aus Sorge um die Ansteckung unserer ungeimpften Kinder – und aus Rücksicht wegen der hohen Inzidenzen. Es ist nicht angemessen, einen Geburtstag gemeinsam zu feiern, wenn an anderer Stelle Menschen um ihre Leben kämpfen, beziehungsweise Schwestern, Ärzte und Pfleger für die Pflege dieser Menschen an ihre Grenzen gehen, fanden wir.“
„Die Nationale Akademie der Wissenschaften schlägt Alarm: Sie rät zu deutlich mehr Impfungen, Kontaktbeschränkungen – und einer Maskenpflicht an Schulen. Die zwölf Autorinnen und Autoren, darunter Leopoldina-Präsident Gerald Haug, Virologe Christian Drosten und zahlreiche Klinikchefs wie der Vorstandsvorsitzende der Berliner Charité, Heyo Kroemer, fordern eine massive Ausweitung der Impfkampagne, die stufenweise Einführung der allgemeinen Impfpflicht und deutliche Kontaktbeschränkungen. Sie kritisieren zudem das von SPD, Grünen und FDP jüngst verabschiedete Infektionsschutzgesetz. ‚In diesen Tagen steht Deutschland vor einer erneuten, verschärften Eskalation der Covid-19-Krise‘, schreiben die Expertinnen und Experten. ‚Es ist zu befürchten, dass Teile der Politik und Öffentlichkeit die Dramatik der Situation nicht in ihrem vollen Ausmaß erfassen.‘ Es sei ein ‚sofortiges Gegensteuern dringend erforderlich‘.“
„Süddeutsche Zeitung“, 4. Dezember 2021:
„Journalisten sind nicht nur Beobachter, sie sind auch Betroffene. Es ist keine Krise, die von außen betrachtet wird, viele erleben sie im Homeoffice, mit Homeschooling, mit der Sorge um die Familie. Oder sie waren selbst erkrankt. Die Distanz zu wahren, ist schwierig. Aber unerlässlich.“
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 15. Dezember 2021:
„Plausibler ist doch, dass die relative Diskurshoheit des ‚Teams Vorsicht‘ einfach damit zusammenhängt, dass die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung den Vorrang des Schutzes menschlichen Lebens vor dem vermeidbaren Tod durch die Pandemie gegenüber konkurrierenden Werten teilt und die politischen Akteure das auch wissen. Ergebnisse aus der empirischen Sozialforschung sind eindeutig. Die Gruppe derjenigen, welche die Pandemiebekämpfungsmaßnahmen in Deutschland ablehnen, war immer eine deutliche Minderheit. Mehr noch: Über die meiste Zeit wünschten deutlich mehr Menschen eine Verschärfung der Maßnahmen.“
„Süddeutsche Zeitung“, 24. Dezember 2021:
„Noch mal: Für mich persönlich ist klar, dass ich mich zu meinem persönlichen Schutz und aus Verantwortung für die Gesellschaft impfen lasse. Wie möglichst viele davon überzeugt werden können zu erkennen, dass die Impfung in ihrem eigenen Interesse liegt, ist nicht mein Ressort. Ich bin Virologe, kein Psychologe, Soziologe und auch kein gewählter Entscheidungsträger.“
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 31. Januar 2022:
„Wer Endemie mit harmlos gleichsetzt, verkennt, dass Malaria und Lassa auch endemisch sind. Die Pocken waren es, bis sie mit einem radikalen Impfregime ausgerottet wurden.“
„Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister, warnt weiterhin – vor wieder steigenden Todeszahlen und potenziell gefährlicheren Mutationen in der Zukunft. Aber auch Lauterbach wird ahnen, dass eine Politik der inzidenzabhängigen Aufregung, der Intervall-Panik, nicht mehr lange durchzuhalten wäre. Die Lage in den Kliniken, die im Winter 2020/21 noch bei Inzidenzen im Hunderterbereich an ihr Limit kamen, ist unter Kontrolle: Sie sind nun trotz höchster Inzidenzen weit von ihrer Stressgrenze entfernt. Die politische Aufgabe für den Sommer besteht darin, dafür zu sorgen, dass das im Winter so bleibt. Dafür muss die Panik von Planung abgelöst werden. Gut möglich, dass Lauterbach im Rückblick nicht daran gemessen wird, ob er im Frühjahr 2022 gegen Öffnungen argumentiert hat. Sondern daran, wie gut das Boostern im Herbst 2022 und der Schutz von Pflegeheimen organisiert sein wird.“
„Erstmals seit Januar 2021 hat China neue Corona-Todesfälle außerhalb Hongkongs gemeldet. Zwei Infizierte starben laut der nationalen Gesundheitsbehörde in der nordöstlichen Provinz Jilin an den Folgen ihrer Viruserkrankung. (…) Unabhängige Experten haben allerdings Zweifel an den offiziellen Angaben aus Peking, sie vermuten staatliche Zensur und Beschönigung. Chinas Behörden meldeten zuletzt die höchsten Infektionszahlen seit Ende der ersten Coronawelle in Wuhan im Frühjahr 2020. (…) Im internationalen Vergleich sind die Zahlen zwar nach wie vor gering. Doch aufgrund der strengen Null-Covid-Strategie reagieren die Behörden auch auf kleinere Ausbrüche umgehend mit Ausgangssperren, Massentests, Transportbeschränkungen und Quarantänevorschriften. Derzeit sind etliche Millionen Chinesen von Lockdowns betroffen – auch in Shenzhen und Teilen von Shanghai, zwei wichtigen Wirtschaftsmetropolen. In der Hauptstadt Peking wurden ebenfalls mehrere Wohnsiedlungen abgeriegelt, in denen Tausende Menschen leben. China ist eines der letzten Länder der Welt, das an einer Null-Covid-Strategie festhält. Die hochansteckende Omikron-Variante stellt diese Entscheidung nun aber auf eine harte Probe. Angesichts der steigenden Zahlen wachsen die Zweifel, ob die strikten Maßnahmen mitsamt ihren wirtschaftlichen und sozialen Folgen noch angemessen sind.“
„IDW – Informationsdienst Wissenschaft“, 22. März 2022:
„Nicht nur in Medienhäusern ist das Interesse groß, welches Zeugnis Journalist*innen nach zwei Jahren Pandemie ausgestellt wird. Eine aktuelle, repräsentative Publikumsbefragung des Instituts für Journalistik, durchgeführt von forsa, zeigt: 41 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, die Glaubwürdigkeit des Journalismus habe durch die Corona-Berichterstattung abgenommen. Demgegenüber geben nur 8 Prozent an, die Glaubwürdigkeit habe sich erhöht. ‚Ein alarmierender Wert‘, sagt der Leiter der Studie ‚Journalismus und Demokratie‘, Prof. Michael Steinbrecher von der TU Dortmund, ‚zumal sich in der Befragung auch zeigt, dass mehr als ein Drittel der Menschen glaubt, der Journalismus sei meist abhängig vom Einfluss der Mächtigen aus Politik und Wirtschaft. Wenn sich diese Positionen verfestigen, kann dies auf Dauer die Akzeptanz des Journalismus in seiner demokratischen Funktion beschädigen.‘“
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