Die organisierte Verantwortungslosigkeit
Frank Lübberding kommentiert auf WELT den Themenabend im ZDF
Er findet die richtigen Worte, nur werden sie nichts bewirken. Auch die in den letzten Jahren aufgetretenen Unwetterereignisse haben keinerlei Änderungen bewirkt. Die gleichen Reden wurden nach dem Elbe- und Rheinhochwasser geschwungen…
Auszüge:
- In den vergangenen 18 Monaten gab es in der Pandemie viele bemerkenswerte Ereignisse. Eines der wichtigsten betraf den Umgang mit den Alten- und Pflegeheimen im vergangenen Herbst. Trotz monatelanger Vorwarnzeit wurden sie zu den Brennpunkten der Pandemie mit hohen Todeszahlen. Statt dort zu handeln, wurden die Schulen monatelang geschlossen. Die Jungen verpassten ihre Bildungschancen und die Alten starben trotzdem.
- Vorher schufen aber Politik und weite Teile der Medien ein Klima deutscher Selbstüberschätzung, wo man sich für seine kluge Politik und deren vermeintlichen wissenschaftlichen Grundlagen lobte. Eine offene und selbstkritische Debatte hat bis heute nicht stattgefunden. Vielmehr beschränkt sie sich weitgehend auf den Versuch, Kritiker als Wissenschaftsleugner oder Rechtspopulisten auszugrenzen.
- In der Praxis bekämpfte man weiterhin nicht existierende Risiken, etwa das vermeintliche Fehlen von Intensivbetten in den Krankenhäusern oder nur in der Phantasie von Modellierern existierende Infektionszahlen.
- Diese Logik, sich für den Nabel der Welt zu halten und in der Praxis desaströse Missstände zu offenbaren, ist kein Zufall. Denn sie zeigte sich auch nach der Flutkatastrophe, die in der vergangenen Woche Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz getroffen hat.
- In der ZDF-Sendung, „Frontal“ ging es um die politische Verantwortung für diese Katastrophe. Die hatte unsere Politiker schon am Tag danach in jenem Himmelreich gefunden, wo die Deutschen die Welt vor dem Klimawandel retten. Das lässt sich zwar nie überprüfen, aber es reicht dort schon die Proklamierung des guten Willens zur Klimaneutralität.
- In der Sendung wurden aber zwei Dinge deutlich: Zum einen hatten die Modelle der Meteorologen über die zu erwartenden Regenfälle jene wissenschaftliche Plausibilität, die denen der Epidemiologen in der Pandemie fehlte. Zudem hatte das „Europäische Hochwasseraufklärungssystem“ (EFAS) schon vor dem Eintreten der Flut eine exakte Prognose der zu erwartenden Konsequenzen für die betroffenen Siedlungsgebiete gestellt.
- So gab es zwar eine Bundesnotbremse gegen ein nicht existierendes Risiko, dafür ließ man eine reale Bedrohung weitgehend geschehen. Sie kostete fast 200 Menschen das Leben und das war kein unabwendbares Schicksal.
- Unser Katastrophenschutz wirkte dagegen vor der großen Flut planlos und desorientiert, er hatte in weiten Teilen des Katastrophengebietes offenkundig keine Vorstellung über das Gefährdungspotenzial.
- Warum das so ist, wurde bei Lanz beim ARD-Meteorologen Sven Plöger deutlich. Er schilderte seine Lagebeurteilung in den Tagen vorher und seine Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden. Er warnte zwar, aber halt doch wohltemperiert. Er wurde nie konkret genug, damit aus seinen Sätzen weitergehende Handlungsanleitungen abgeleitet werden konnten, außer der Appell an eine abstrakte Vorsicht.
- Plöger hat dafür gute Gründe. Auf dem Boulevard wurde das Wetter schon immer als dramatisches Spektakel inszeniert. Neuerdings wird es zugleich zum politischen Kampfplatz um den Klimawandel. Jede statistische Abweichung vom Mittelwert wird als Begründung für weitreichende Maßnahmen gegen den Klimawandel ausgeschlachtet. Im ZDF ist es sogar üblich geworden, den Wetterbericht als Zustandsbericht zum Klimawandel auszuschmücken.
- Das erklärt die an Diplomaten erinnernde Formulierungskunst der Fernsehmeteorologen. Die Warnungen waren konkret genug, aber im Fernsehen wird daraus die Abwägung, sich später weder Panik, noch Verharmlosung vorwerfen lassen zu müssen.
- Insofern war es nicht überraschend, dass das aufziehende Extremwetter in der Berichterstattung vor der Flut im öffentlich-rechtlichen Rundfunk kaum eine Rolle spielte. Bestenfalls sprach man vom unverbindlichen „Unwetterartig“
- Es scheint das handlungsleitende Motiv zu sein, bloß keinen Fehler zu machen, der einem am Ende politisch zugerechnet werden könnte.
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