Das Elend der Eliten
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- Januar 9., 2019
Nach
einem ereignisreichen Jahr, das den Staatsbürgern, also dem „Souverän“
wirklich nicht den Eindruck vermittelte, souverän regiert worden zu
sein, stellt sich die Frage nach den Hoffnungen für 2019. Wer bildet die
politische Spitze des Landes und entscheidet über den Kurs? Ein Blick
zurück: In der Vorzeit der Sippengesellschaften bildeten die Alten und
Weisen einen Rat und trafen die oftmals existenziellen Entscheidungen
für die ganze Gruppe. Zugegeben, es waren fast immer alte Männer, meist
auch weiße. Aber ihre Lebensweisheit, oft auch die spezielle Bildung
schafften Ansehen und Autorität, was die Sippe folgen ließ.
Die
Bedingungen sind heute andere. Bei uns hat eine Rekordzahl von 709
Abgeordneten ein bezahltes Mandat im Bundestag inne. Wie bei vielen
Verwaltungen auch ist hier eine kritische Grenze überschritten, so dass
Input von außen nicht mehr nötig und eher störend ist bei der
Beschäftigung mit sich selbst. Es gilt, parlamentarisches Handwerk
auszuüben. Zu argumentieren und euphemisieren, zu netzwerken in den
eigenen Echokammern und zu intrigieren, tricksen, täuschen und
skandalisieren, ganz überwiegend in strenger Fraktionsdisziplin. Die
postulierte Verpflichtung dem eigenen Gewissen gegenüber ist schon
deshalb fraglich, weil solches in vielen Fällen nur unzureichend
vorhanden ist.
Sippe und Parlament
Ob unsere
Abgeordneten eine Elite im Wortsinn sind, ist eine weitgehend offene
Frage, auf jeden Fall gehören sie nicht zum intellektuellen und
finanziellen Prekariat im Lande. Das qualitäts- und leistungsunabhängige
Einkommen beträgt 9.541,74 Euro monatlich plus 4.318,38 steuerfrei, es
erhöht sich automatisch, weitere Zahlungen und Privilegien seien hier
großzügig übergangen. Im Hintergrund wachsen die Parteifinanzen kräftig
mit.
Wer sind
diese Leute? Besonders die, die in vergangenen Legislaturperioden
Konfetti warfen, als ein Gesetz beschlossen wurde? Die Opposition
spielten und am Ende doch die Kanzlerinnenpolitik stützten? Die ihren
Gründungsmythos Friedenspartei längst verraten haben? Die nicht weniger
als die Welt retten wollen, denen Schmetterlinge wichtiger sind als
Menschen?
Ein Blick
in die Biografien der jetzt 67 Abgeordneten von Bündnis 90 / Die Grünen
zeigt eine Gruppe mit spezifischen Lebensläufen und Karrieren, eine
Mischung verschiedener Qualifikationen, die sich am Ende doch ähneln und
das Spektrum der Gesellschaft höchst unzureichend repräsentieren.
Ein
einziges Gewimmel bilden Politikwissenschaftler (27%), vor VWL-ern und
BWL-ern (19%), Soziologen (16%), Pädagogen (13%) und Juristen (12%),
weiterhin treffen wir auf Verwaltungswissenschaftler,
Religionswissenschaftler, Landschaftsökologen, Biologen, Philologen,
Philosophen, Psychologen, Germanisten, Umweltwissenschaftler,
Kunstwissenschaftler, Mediziner. Immerhin sieben von ihnen (10,5%) haben
einen Beruf erlernt.
Oft haben
Studienrichtung und –abschluss, so vorhanden, nicht viel mit der später
ausgeübten Tätigkeit zu tun. Zumeist ausgeübte Tätigkeiten vor dem
Mandat waren Politiker, Projektmitarbeiter, Kulturreferent, Büroleiter,
wissenschaftlicher Angestellter, Lehrer/Referent/Dozent,
Verwaltungsmitarbeiter, Anwalt, Manager, studentische Hilfskraft. Eine
Polizistin mutet schon exotisch an.
Auffällig
in ihren Vitae ist die oftmalige Tätigkeit bei NGO`s oder als
Referenten und Mitarbeiter von Landtags- und Bundestagsabgeordneten. Das
schafft Kenntnisse der Abläufe und man kann gut Netzwerken. Wer will
schon das raue Leben in Wirtschaft und Praxis durchackern? Der gerade
Weg in den Bundestag beginnt an der Parteibasis und führt über die
Gremien. Einige der Abgeordneten waren bereits im Bundestag (39%) oder
hatten Mandate in Landtagen (7%).
Auffällig
ist das Fehlen von Vertretern aus Industrie und Ökonomie, Gewerbe und
Bundeswehr, es gibt nur wenige Selbständige, keine Unternehmer oder
Arbeitnehmer im traditionellen Sinn.
Plötzlich
wundert man sich nicht mehr über grüne Politik, die nicht den
selbstbewussten eckigen und kantigen Bürger akzeptiert, sondern den
zukunftsverängstigten Staatsgläubigen zum Ziel hat, der von einer
Regierung erzogen, besser noch, therapiert werden muss. Die die
Marktwirtschaft nicht schätzt, weil in ihr Menschen selbstverantwortlich
handeln und grüner Einflussnahme nicht bedürfen. Die Menschen nach
ihrem Bild des höheren Ökologismus erziehen will, nicht mit kuscheliger
Waldorfpädagogik, sondern mit grünem Frontalunterricht, der mit Schuld
und Sühne arbeitet. Für die Technikphobie, Naturesoterik, Atomangst und
Klimareligion die Grundlagen sind, die in ihre einzigen politischen
Instrumente münden: Umverteilung, Verbote und Subventionen.
Die fehlende Lebensnähe der Grünen-Politiker ist ein Grund für die Maßlosigkeit in ihren ökologistischen
Zielen. Da Unternehmer und Arbeitnehmer, die die Grundlagen unserer
Industriegesellschaft bilden, in der Fraktion praktisch nicht zu finden
sind, wird das Grüne Wolkenkuckucksheim widerspruchslos üppig ausgebaut.
Abseits der Realitäten
Auch der
grünen Fraktionsführung kann man ein solides Maß an Bodenhaftung
bildender Lebenserfahrung wirklich nicht vorwerfen. Dr. Hofreiter ist
Biologe, ohne hier längerfristig tätig gewesen zu sein. Er wechselte
2005 als Politprofi in den Bundestag. Über Referenzen von Frau
Göring-Eckhardt zu sprechen, erübrigt sich. Es gibt sie nicht, sie ist
Funktionärin in Partei und Kirche. Sie denkt an Karl den Käfer, aber
nicht an Robert, den Rotmilan. Sie beklagt schwindende Artenvielfalt,
tut aber nichts gegen Monokulturen von Energiemais. Sie geißelt Rodungen
des Regenwaldes, fördert aber die Rodung von Bäumen für
Windkraftwälder.
Angesichts der Landtagswahlen im Osten 2019 sieht sie nun Bedarf, sich bei den Ossis einzuschleimen,
denn außerhalb der großen Städte kommt grüne Politik bei den Menschen
nicht an und in Parlamenten der unteren Ebenen selten vor.
Die
Beigetretenen haben noch nicht vergessen, dass die Grünen seinerzeit
Gegner der Deutschen Einheit waren. Die Grünen-Vorsitzende Baerbock
schwadroniert mal über eine schnelle Abschiebung
krimineller Migranten, während parteiaffines Fußvolk an den Flughäfen
genau dagegen protestiert. Die Ablehnung des Status „sichere
Herkunftsländer“ für bei Deutschen beliebte Urlaubsländer bleibt ebenso
zentraler Punkt grüner Ideologie wie die politische Blockade jeglichen
Gesetzeswerks, das stringenten und gesetzeskonformen Umgang mit
Migranten zum Ziel hat. Selten hatte Politik weniger Charakter.
Während
es in der FDP über Jahrzehnte zum guten Ton gehörte, die Bundestagsdiät
nur als Zubrot zum „richtigen“ Job zu kassieren, würde der größte Teil
der Grünen- Abgeordneten im Leben außerhalb der Politik nicht annähernd
das Einkommen erzielen können, das ihnen der Abgeordnetensitz einbringt.
Auf dem freien Arbeitsmarkt würde es sogar schwierig, sich die Butter
aufs Brot zu verdienen. Das erklärt die sehr hohe Flexibilität in den
gescheiterten Jamaika-Sondierungen. Bei positivem Ausgang wäre ein
Arbeitsbeschaffungsprogramm für die eigene Klientel die Folge gewesen.
Nun leiden sie unter akutem „Jamaika-Entzugsfieber“ (Wolfram Weimer),
nachdem sie doch schon die Disziplin „huldvolles Winken vom Balkon“ so
gekonnt zelebrierten und einige Ministersessel der eigenen Bedeutung
angemessen schienen.
Keine
Abgeordneten ohne Wähler. Es gilt als sicher, dass Grünen-Wähler eher
jung, gut verdienend, verbeamtet oder im Öffentlichen Dienst tätig sind.
Auffällig die große Spreizung der Wahlergebnisse der letzten
Bundestagswahl zwischen den Großstädten und dem Rest des Landes. Liegen
in den Zentren wie Berlin, Hamburg und München die Grünen-Ergebnisse
zwischen 11 und 18 Prozent (stadtteilbezogen bis 25 Prozent), ist die
Partei in der Fläche im Osten oft unter der 5-Prozent-Hürde, auch im
Westen vielmals nur knapp drüber. Die von Windkraftanlagen umstellte
Landbevölkerung hat die Grünen inzwischen als ihr existenzielles Problem
erkannt.
Auch
Innerhalb der großen Städte kann es große Unterschiede geben: Stimmten
in Berlin-Kreuzberg/Friedrichshain die Hipster mit 26/20 Prozent
(Erst-/Zweitstimme) für Grün, waren in Marzahn/Hellersdorf die dort
mehrheitlich wohnenden Proleten und Dienstleister nur zu 3,2/4,1 Prozent
für diese. Wo der Mindestlohn eine große Rolle spielt, wird wenig
gegendert.
Selbst in
mittleren Städten wie in Aachen II konnte die 5-Prozent-Hürde nicht
genommen werden. In Cottbus/Spree-Neiße landeten die Grünen ein
stattliches halbes Prozent vor Sonneborns „Die Partei“. So bleiben die
Großstädter der Grünen verlässlichste Anhänger. Für sie kommt der Strom
aus der Steckdose, das Fleisch vom Biomarkt. Die Ursprungstiere wurden
Zeit ihres Lebens gestreichelt und an dessen Ende nicht gewaltsam
gemeuchelt sondern vom tierflüsternden Biobauern totgequatscht.
Es ist
der bleibende Verdienst der Grünen, Umweltbewusstsein in der
Gesellschaft verankert zu haben. Heute denken das alle anderen Parteien
in ihren Entscheidungen mit. Im Gegensatz zu den Grünen, die auf Grund
ihres ökoesoterisch praktizierten Klimaschutzes den Umweltschutz aus dem
Auge verloren haben und andere Aspekte wie Wirtschaft und Soziales
ohnehin nur am Rande betrachten. Eine schon religiös zu nennende
„Klimaschutzaufgabe“ macht den bisher hoch bewerteten Umweltschutz
platt.
Die
Grünen haben nun auch mit dem Klimaschutz ihren Gründungsmythos
Umweltschutz verraten. Windkraftanlagen in Wäldern sind maximierter
Umweltfrevel. Keine Tonne CO2 wird infolge des „Wasserbetteffekts“ über den europäischen Emissionshandel damit eingespart, im Gegenteil. Wald als CO2-Senke
wird vernichtet. Während überall in Deutschland für die Windkraft
losgeholzt wird, kämpfen scheinheilige Ökos gegen die lange geplante und
genehmigte Rodung des Hambacher Forstes mit Gewalt und
Gewaltsolidarität. Die Grünen sind die gewissenlose Speerspitze der
hinter ihnen stehenden Lobby, ideologisiert in der Theorie, hemmungslos
opportunistisch in der Praxis.
Grüne Zukunft
Derzeit
schweben sie in traumhaften Umfragehöhen. Die neue Doppelspitze macht
kaum Fehler und der innerparteiliche Streit ist temporär beigelegt.
Robert Habeck hat den Vorteil, ein Leben vor der Partei gehabt zu haben.
Er spricht anders und kommt glaubwürdiger daher, seine Formulierungen
sind bildhaft und umgangssprachlich. Meist kann man ihn an den
Formulierungen nicht festmachen, weil er oft „irgendwie“ recht hat.
Sicher, manchmal schießt er übers Ziel, etwa wenn er vor den Wahlen in
Bayern angesichts guter Umfragen twitterte: „Endlich gibt es wieder
Demokratie in Bayern.“ Im Fall schlechterer Werte wäre es wohl Diktatur
gewesen. Ähnlich seine Forderung, Thüringen möge (nach fünf Jahren
rot-rot-grüner Regierung) ein freies und demokratisches Land werden.
Hier schoss er zu schnell, woran erkenntlich ist, dass er nicht in der
Politik groß wurde. Er twitterte einfach, was er dachte und nicht das,
was taktisch klug gewesen wäre.
Er gibt
den ewig struppigen Symphaticus für den deutschen Wahlmichel, der eher
auf Äußerlichkeiten und eloquente Sprache Wert legt als auf belastbare
Inhalte. Und die anderen Parteien helfen nach Kräften mit.
CDU und
CSU rangeln sich öffentlich und die SPD schreitet voran auf dem Weg der
Kevinisierung. Die von den Jusos erwünschte Erlaubnis der Abtreibung bis
zum neunten Monat bei gleichzeitiger Ablehnung des Röntgens des
Mittelhandknochens zur Altersfeststellung (Körperverletzung!) wird von
der Mutterpartei öffentlich nicht thematisiert. Das scheucht selbst ihre
treuesten Anhänger gnadenlos zu anderen Parteien, wovon die Grünen
besonders profitieren.
Der Blick
in die Zukunft und auf das dann möglicherweise Richtung gebende
Personal lässt kaum auf Besserung hoffen. Weder Kevin (politischer
Gelegenheitsjobber, Student und Fernstudent ohne Abschluss) noch der
neue CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak (abgebrochener Student und
Fernstudent verschiedener Richtungen) können eine verbriefte
Qualifikation vorweisen, nicht einmal eine zu Bodenhaftung führende
Berufsausbildung. Solche Leute sollen künftig über die Rente lebenslang
arbeitender Menschen entscheiden?
Habeck
macht seine Sache so gut, dass Teil zwo der grünen Doppelspitze gar
nicht so viel Schaden anrichten kann, um den Erfolg insgesamt zu
schmälern. Annalena hätte zwar die eine oder andere Miss-Wahl gewinnen
können, aber sobald sie spricht, kommt die große Ernüchterung. Ihr
Bildungsweg über Uni, Vorzimmer einer grünen Europaabgeordneten und
Referendariat in der Grünen-Bundestagsfraktion hatte wenig Berührung mit
dem wahren Leben, dafür kennt sie den Politikbetrieb umso besser. Da
sie oft und heftig den Kohleausstieg fordert, bekam sie von grünen
Kreisen den Titel „Klima-Expertin“ angeheftet. Natürlich fordert sie den
sozialverträglichen Ausstieg, um im nächsten Satz zu erklären, dass es
aber nun ganz schnell gehen müsse.
Sie
spricht im Stakkato eines Maschinengewehrs und reiht gestanztes
Politiksprech aneinander, was hin und wieder großen Unfug ergibt. Dass
man Strom im Netz speichern kann, kommt aber so glaubhaft rüber, dass
man einen neuen Wissenschaftszweig – die „Annalenalogie“ – eröffnen
möchte. Und wenn sie einer verdutzten Talk-Show-Runde erklärt, jeder
Deutsche würde pro Jahr neun Gigatonnen CO2 emittieren, kommt nicht mal Widerspruch.
Personal
dieser Sorte will an die Macht und ein Industrieland in die Zukunft
führen. Die gute Nachricht: Sie werden ihre Ideologie nicht durchsetzen
können. Die schlechte Nachricht: Grüne und konfuse Gesinnung gibt es
auch in anderen Parteien.
Das Jahr
2019 macht uns wieder bewusst, dass Wahlen immer nur die Entscheidung
für das geringste Übel sein können – wer stimmt schon deckungsgleich
einem der Wahlprogramme zu? Es reift die Erkenntnis, dass es die oft
angeführte politische Alternativlosigkeit nicht gibt – sie wäre eine
Zwangslage. Bei nur zwei Möglichkeiten säßen wir in einem Dilemma. Nur
bei drei und mehr Möglichkeiten gibt es eine freie Wahl.
Perikles
sagte: „Zum Glück brauchst Du Freiheit. Zur Freiheit brauchst Du Mut.“
Den sollten wir uns nehmen und uns einmischen, denn ein großer Teil des
politischen Spitzenpersonals verkörpert das Elend der politischen Eliten
des Landes. Unzureichend qualifiziert, lebensfern und hoch
ideologisiert. Es ist ein Bildungselend, in dem sich die Betroffenen gut
eingerichtet haben. Dem Land schadet es.
Wir
sollten es tun wie unsere Vorfahren: Die Weisen und Qualifizierten an
die Spitze. Und wenn es überwiegend alte weiße Männer sein sollten, ist
auch das nur eine Äußerlichkeit. Wir brauchen Qualität in den
politischen Entscheidungen, nicht Quoten in den Gremien. Machen wir uns
frei vom Neorassismus. Eliten brauchen unsere kritische Begleitung – bis
hin zu möglicher Ablösung.
Über den Autor: Frank
Hennig, Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung,
verbrachte sein Arbeitsleben in den Kraftwerken eines großen
Stromunternehmens und seiner Rechtsnachfolger. Er war viele Jahre
Betriebsrat und hier für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, was ihn
zum Studium der PR an der Deutschen Presseakademie führte. Heute ist er
in der technischen Fortbildung und bei einer Gewerkschaft als Referent
tätig. Frank Hennig ist geborener Görlitzer, verheiratet, erfreut sich
an Kindern und Enkeln und lebt heute in der Niederlausitz. Im Buchhandel
von ihm erschienen: Dunkelflaute: oder Warum Energie sich nicht wenden lässt
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