Mittwoch, 10. Oktober 2018

Heinz Buschkowsky über Neukölln und die SPD - „Islam ist links? Westliche Werte sind rechts? Was für ein Schmarrn“


Heinz Buschkowsky über Neukölln und die SPD - „Islam ist links? Westliche Werte sind rechts? Was für ein Schmarrn“
INTERVIEW MIT HEINZ BUSCHKOWSKY am 10. Oktober 2018
Die „AG Migration und Vielfalt“ wollte ihn aus der SPD werfen, doch der Berliner Landesverband zog die Notbremse. Heinz Buschkowsky gilt schließlich als Wegbereiter einer Integrationspolitik, die Zugewanderten klare Regeln diktiert. Im Interview stellt er seiner Partei trotzdem ein Armutszeugnis aus
Autoreninfo
Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie arbeitet als freie Reporterin und Autorin. 
Die Stimme am Telefon klingt vertraut. Ein bisschen nölig, aber mit amüsiertem Unterton. Man kennt sie aus dem Radio und Fernsehen. Als Heinz Buschkowsky, 70, noch Bürgermeister von Neukölln war, tingelte er mit seiner Botschaft Multikulti ist gescheitertvon Talkshow zu Talkshow. Ein Mann, der Politik auch immer als Entertainment verstand. Jetzt ist es kaum ruhiger um ihn geworden, seit er sich 2015 aus der Politik zurückzog. Buschkowsky, Autor des Bestsellers „Neukölln ist überall“, kommentiert das politische Geschehen jetzt als Kolumnist im Radio und für die Bild. Er galt schon immer als Klartext-Sozialdemokrat, doch jetzt nimmt er überhaupt kein Blatt mehr vor den Mund.

Herr Buschkowsky, die AG Migration und Vielfalt in der SPD hatte ein Partei-Ausschlussverfahren gegen Sie angestrengt. Was haben Sie verbrochen?

Allein meine Existenz hat da wohl schon gereicht. So richtig unter die Haut gegangen ist mir die Nummer nun wirklich nicht. Mir erschien es eher wie die Bewerbung um den Comedy-Preis, der am vergangenen Wochenende verliehen wurde. In Neukölln würde man das anders kommentieren.

Wie denn?

 „Rad ab!“   

Es fiel das Wort „Rechtspopulismus“.

Ich bin mir sicher, dass keiner von denen, die das beschlossen haben, diesen Begriff erklären kann.

Man wirft Ihnen vor, Sie seien als Gastrezensent bei der Vorstellung des neuen Buches von Thilo Sarrazin aufgetreten. Dabei haben Sie das Buch nicht vorbehaltlos gelobt, sondern es auch kritisiert. Sie haben sich von der These distanziert, Moslems planten die demographische Übernahme der Mehrheitsgesellschaft.

Das hatte ich wohl zu anspruchsvoll formuliert. Dieses Buch setzt sich distanziert-kritisch mit der Kultur des Islam auseinander. Das kann man gut oder schlecht finden. Aber was hat das mit rechts oder links zu tun? Islam ist links, westliche Werte rechts? Was für ein Schmarrn!

Kann es sein, dass man in Deutschland automatisch als rechts abgestempelt wird, wenn man sich kritisch zu Fragen der Integration äußert – so wie Sie es in Ihrem 2012 erschienenen Buch getan haben: „Neukölln ist überall.“

Das ist wohl so. Dazu kommt, dass es Kampfbegriffe gibt, die je nach Zeitgeist dafür herhalten müssen, politisch Andersdenkende mundtot zu machen. Eine Zeitlang war das „menschenfeindlich“, „islamophob“ oder „homophob“. Im Moment ist alles „rassistisch“ und „rechtspopulistisch“, was nicht dem linken Mainstream entspricht. Linkspopulisten finden übrigens bei diesem intellektuellen Irrflug nicht statt. Die Medien sind da nicht frei von.

Der Begriff „rechtspopulistisch“ wird als Synonym für rassistisch verwendet. Er suggeriert, dass man sich als Gemeinschaft einerseits gegen die herrschende Elite und andererseits gegen Fremde abgrenzt – in diesem Fall gegen Muslime.

Eigenwillige Interpretation, was hat Rassismus mit Religion zu tun? Der Begriff wird zudem willkürlich verwendet. Der Vorzeigel-Liberale Wolfgang Kubicki und Österreichs Bundeskanzler, Sebastian Kurz, mutieren plötzlich zu Rechtspopulisten. Was ist an denen rechtspopulistisch? Einfach albern.


Das ist politischer Meinungsterrorismus. Es geht um die Dominanz im gesellschaftlichen Sprachgebrauch und um den vermeintlichen Nachweis, im Besitz der Wahrheit zu sein. Es werfen Leute mit Begriffen um sich, deren Bedeutung sie nicht kennen und die sie auch mit nichts als der bloßen Behauptung belegen können.

Ihnen haftet dieser Stempel eigentlich schon an, seit Sie 2012 Ihr Buch „Neukölln ist überall“ veröffentlich haben. Ihre Botschaft war: Multikulti ist gescheitert. Warum war es Ihnen ein Bedürfnis, Ihre Erfahrungen als Bezirksbürgermeister zwischen zwei Buchdeckeln zu verpacken?

Nach Vorträgen oder Diskussionen erhielt ich damals immer wieder die Ansprache: Mensch, Buschkowsky. Das müssen Sie mal alles aufschreiben! Doch ich wollte nicht.

Warum nicht?

Buschkowsky ist kein Schriftsteller. Ich hab‘ mich lange geziert wie die Zicke am Strick. Am Ende war es ein taz-Journalist, der mich überzeugt hat, meine Erfahrungen aufzuschreiben. Ich habe berichtet, nichts weggelassen oder dazu gedichtet. Ich habe es nur etwas geschmeidiger gemacht. Die brutale Realität wäre gleich auf dem Index gelandet.

Warum?

Die Passagen über die Familien der Organisierten Kriminalität (OK) habe ich bewusst unterbelichtet. Kann man als amtierender Bezirksbürgermeister den eigenen Bezirk so stigmatisieren und sagen, dass große Teile meiner Bevölkerung ihr Geld mit der OK verdienen? Dass sie nur nach ihren eigenen Gesetzen in einer Parallelgesellschaft leben? Dass sie unsere Lebensart verachten und überhaupt nicht daran denken, sich zu integrieren? Nein, die Zeit war für diese Wahrheit noch nicht reif.

Aber dieses Bild existierte damals schon von dem Bezirk.

Aber als Bürgermeister dürfen Sie nicht zu viel Öl ins Feuer gießen. Erinnern Sie sich noch daran, was passiert ist, als Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in einem Interview auf die Frage, ob er seine Kinder auf eine öffentliche Schule in Kreuzberg schicken würde, wahrheitsgemäß antwortete: „Nein“? Es gab einen riesigen Sturm der Entrüstung, bis er sich dafür öffentlich entschuldigte.

Welche Reaktionen hat denn Ihr Buch damals ausgelöst?

Wirtschaftlich war es ein schöner Erfolg. Aber für meine linken „Freunde“, ewige Schönsprecher und unverbesserliche Träumer, war ich endgültig enttarnt. An „Neofaschist“ und „er spricht die Sprache von Breivik“ (norwegischer Massenmörder, Anm. der Redaktion) musste ich mich gewöhnen. Dabei hatte ich nur über das Versagen der deutschen Integrationspolitik berichtet und eine engagiertere und ehrlichere Politik eingefordert – beginnend schon im Kindergarten und in der Schule. Solange wir es für normal halten, dass 20 Prozent der Schüler die Schule als funktionale Analphabeten ohne Abschluss verlassen, wird es auch in Zukunft keine durchgreifende Integration geben.

Die damalige Ausländerbeauftragte von Berlin, Barbara John (CDU), schrieb damals, Ihr Buch sei „ein Groschenroman mit fatalen Wirkungen“.

Ach, die gute Barbara, sie war schon immer etwas unstet in ihren Äußerungen. Eine Wirklichkeitsverweigerin. Der Satz hätte aber genauso gut auch aus der SPD gekommen sein können. Damals gab es wie heute viele Genossen, die der Meinung waren, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Das Credo der Linkspappnasen lautete schon damals: Integration ist in Deutschland eine einzige Erfolgsgeschichte.

Und wer das bezweifelte, galt als Nestbeschmutzer?

Mindestens das. Mir wurde immer vorgehalten: Du musst positive Beispiele für Integration herausstellen und dich nicht im Elend suhlen. Ich hab dann immer geantwortet: Wenn ich den Auftrag bekomme, die Sicherheit an einer Kreuzung zu erhöhen, zähle ich dann die Autos, die heil darüber gefahren sind – oder werte ich das Unfallgeschehen aus?

Gab es denn keine positiven Beispiele?

Doch, natürlich, ohne Ende. Fängt bei dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir an und reicht bis in meinen Freundeskreis. Wir reden über rund 16 bis 18 Millionen Migranten in Deutschland. Kennen Sie keine Gewerbetreibenden, Taxifahrer oder Stahlarbeiter, die ehrlich sind, fleißig arbeiten und ihre Steuern zahlen? Ich denke, das ist die Mehrheit. Warum sollte es die denn nicht geben? Keiner behauptet, ein Migrant sei per sei ein schlechter Mensch.

Sind Sie da ganz sicher? In der Diskussion um Integration gibt es inzwischen nur noch GUT und BÖSE. Es gibt kaum noch Zwischentöne.  

Die Emotionalisierung hat der Sache nicht gutgetan. Das Ignorieren der Ängste und Spalten der Bevölkerung durch die etablierte Politik hat zur Sammlungsbewegung und zu den Protestwählern der AfD und zum inzwischen offenen Auftreten der Rechtsradikalen bei uns geführt. CDU und SPD haben hier Schuld auf sich geladen. Wer nicht hinsieht und hinhört, was sich im Land vollzieht, hat irgendwann ein schmerzliches Erwachen.


Das ist vollmundig inhaltsleeres Gequatsche. Die Kinder werden dort nicht zu Verbrechern erzogen, sondern sie wachsen in eine für sie scheinbar völlig normale Welt mit dem Recht des Stärkeren hinein und übernehmen es. Das Ergebnis ist zwar gleich, aber es ist juristisch ein Riesenunterschied. Wie soll denn das auch praktisch geschehen? Glauben Sie, da würde es keinen Widerstand geben? Und wie lange blieben denn die Kinder an einem anderen Ort, bis sie dort notfalls mit Gewalt wieder herausgeholt werden? Wer wollte es verantworten, Sozialarbeiter in einem solchen Konflikt zu verheizen?

Auch rechtlich würde der Staat dort an eine Grenze stoßen, oder?

Das Jugendamt kann außer bei Gefahr im Verzug überhaupt keine Kinder aus Familien herausholen. Das geht nur mit einem Gerichtsbeschluss, der schon heute selbst in katastrophalen Fällen überaus schwer zu erhalten ist. Viele Richter frönen immer noch dem alten Märchen: Das beste Heim ist schlechter als die schlechteste Familie. Dabei gibt es Elternhäuser, da ist jede Stunde, in denen die Kinder fern davon sind, ein Gewinn für ihre Entwicklung. Außerdem ist das Erziehungsrecht der Eltern ein Grundrecht. Sie müssten an das Grundgesetz ran, wenn Sie über systematische Sorgerechtsentziehung nachdenken. Null Realisierungschance.


Das ist wohl so, nur traut sich das keiner, das zuzugeben. Bisher sind alle in Ungnade gefallen, die die partielle Ohnmacht unseres Staates bei seinem gezielten Unterlaufen zugegeben haben. Unser System ist auf planmäßige Regelverweigerung nicht ausgelegt. In solchen Fällen heißt es, Distanz zu wahren und auch den Verlockungen eines Facebook-Fotos zu widerstehen.

Wie meinen Sie das?

Meine Nachfolgerin (Franziska Giffey, Anm. der Redaktion) ließ sich bereitwillig in der Grauzone zum Islamismus fotografieren. Sie trat sogar mit einer berüchtigten Salafisten-Moschee in Schriftverkehr. Das war für mich der Grund, der SPD Neukölln zu verbieten, mit meinem Namen zu werben.

Warum?

Man kann nicht vorgeben, unsere westlichen Werte hochzuhalten und gleichzeitig mit ihren Totengräbern rumschmusen. Der damalige Slogan, „Wir führen die Politik von Buschkowsky weiter“, war nichts weiter als plumper Etikettenschwindel. Ich habe den Genossen gesagt: Dann seid ehrlich und zeigt Flagge, dass Ihr mit meiner Politik nichts mehr zu tun haben wollt.

Sie haben Frau Giffey, die heutige Bundesfamilienministerin, entdeckt und in die Politik geholt. Heißt das, Sie sind im Streit auseinandergegangen?

Richtig falsch ist das nicht. Aber die politische Drehtür war nur einer der Gründe.

Es gibt Genossen, die sagen, sie sei die einzige, die den Landesverband Berlin aus seinem Tief herausholen und Michael Müller als Regierender Bürgermeister beerben könnte. Teilen Sie diese Hoffnung?

Nein, Franziska Giffey hat keinen Stallgeruch und verfügt über keine Hausmacht. Außerdem ist sie für diesen Landesverband nicht links genug und zu normal. Ich glaube eher, dass ihre Zukunft in Brandenburg liegen wird, wenn der jetzige Ministerpräsident, Dietmar Woidke, die Zeit für einen Generationswechsel für gekommen halten wird. Aber im Moment scheint sie sich als Pseudo-Ossi in der Bundesregierung recht wohl zu fühlen.  

Vieles von dem, was Sie in Ihren Büchern kritisiert haben, wird heute allgemein anerkannt. Hat Sie die Politik nicht längst rehabilitiert?

Wer will denn einen 70-Jährigen noch ausschließen? Außer der Arbeitsgruppe Migration, versteht sich. Aber es ist schon so, dass ich eine Art Orakel von Delphi für Arme bin. Fast alles, was ich vorhergesagt habe, ist eingetreten. Allerdings wurd es immer nur widerwillig und in Form der Salamitaktik zugegeben.

Mal ein Beispiel.

Von Organisierter Kriminalität der arabischen Großfamilien durfte man 2012 noch nicht sprechen. Erst als die Straftaten immer schwerer wurden und Polizei und Justiz merkten, dass sie gegen die verfestigten Netzwerke nicht mehr ankommen, näherte sich die Einsicht. Denken Sie nur an den KaDeWe-Raub, den Überfall auf ein Pokerturnier, Goldraub im Bode-Museum, Rififi-Einbrüche in Banken bis hin zu Revierkämpfen mit Schusswaffen. Vielleicht gehört es kulturellen Identität der Täter, eine Bereicherung unserer Gesellschaft ist das aber mit Sicherheit nicht.

Grollen Sie Ihrer Partei?

Nein, grollen ist das völlig falsche Wort. Ich bin nur nach wie vor darüber fassungslos, dass sich meine Partei seit über 20 Jahren als absolut lernunfähig erwiesen hat. Sie weigert sich bis heute beharrlich, die sozialen Verwerfungen und realen Lebensverhältnisse in den Migrationslagen unserer Städte zur Kenntnis zu nehmen. Ich sag es mal so: Die SPD ist so eine Art institutionalisierte Barbara John.

In einem Interview, das Sie der Welt am Sonntag im Juli gegeben haben, haben sie noch deutlichere Worte gewählt. Da haben Sie gesagt, der SPD-Landesverband Berlin sei der unterirdischste Landesverband Deutschlands. Da seien viele Kranke unterwegs.

Ich würde dieses Interview heute wieder so geben. Es stand unter der Überschrift: Wie erklärt sich ein langjähriges SPD-Mitglied wie Buschkowsky den Niedergang einer Partei, den Absturz von 50 Prozent auf 15 Prozent der Stimmen? Dazu habe ich meine Sichtweise erläutert.

Und was ist Ihre Antwort?

Der Volkspartei SPD ist das Volk abhandengekommen – und sie hat es nicht einmal bemerkt. Die Berliner SPD ist nicht mehr die von Godesberg. Sie repräsentiert schon lange nicht mehr einen Querschnitt der Bevölkerung. Früher kamen 50 Mitglieder zu einer Parteiversammlung. Heute sind es 6 Studenten, tapfere Kämpfer gegen den Spätkapitalismus im Hinterzimmer einer Kneipe.

Aber dieses Problem betrifft doch nicht nur die Berliner SPD.

Für die Bundes-SPD kann ich nicht sprechen, dafür fehlen mir die Erfahrungen. Ich weiß nicht, wie das in Mannheim oder in Hannover aussieht. In Berlin ist die Partei zu einem reinen Funktionärskader degeneriert – und zwar von Linksfunktionären. Der Bevölkerungswille ist da oft nur noch lästig.

Harter Tobak. Wundert es Sie vor diesem Hintergrund nicht selber, dass sich ausgerechnet der Landesverband gegen ein Parteiausschlussverfahren gegen Sie ausgesprochen hat?

Nein, überhaupt nicht. Der Lebensnerv einer demokratischen Partei ist eine offene Streitkultur. Denken Sie an den Satz im Godesberger Programm: „Von der Bergpredigt bis zum Kapital kann jeder seine Heimat in der SPD finden“. Es gibt wohl doch noch ein paar Genossen, die sich daran erinnern und nicht den neuen Demokratie-Erklärern „Demokrat ist nur, wer meiner Meinung ist“ nacheifern.

Was hinterlassen Sie Ihren Nachfolgern?

Als Erstes den Grundsatz: Neukölln ist der Prüfstein der Integrationsfähigkeit unseres Landes. Die Integrationsfrage und eine geordnete Einwanderung sind die Grundlagen Deutschlands für die Zukunft. Alles, was ich tat, hatte sich hier einzuordnen. Das reichte vom Campus Rütli über die Entwicklung von Ganztags-Gymnasien, den Stadtteilmüttern, dem Mitmach-Zirkus bis zum Kulturstandort Schloss Britz. Das sind nur einmal so die big points. Was glauben Sie, warum sich Sigmar Gabriel gerade hinter mich gestellt hat?

Für Ihre pointierten Äußerungen sind Sie ja bekannt. Aber sind Sie mit der Formulierung „Kranke“ nicht zu weit gegangen?

Waren Sie schon einmal auf einem Landesparteitag der Berliner SPD?

Nein, warum?

Sie werden da mehr als einmal das Gefühl haben: „Ich bin umzingelt.“ Dann werden Sie wissen, was ich meine. Das ist aber nicht ungewöhnlich. Parteien sind auch soziale Sammelbecken. Viele Menschen, die ihr Leben nicht auf die Kette gekriegt haben, versuchen in einer Partei, nochmal richtig auf die Füße zu fallen. Manchmal klappt das, bei manchen ist der Anspruch zu hoch. Es können auch Spinner darunter sein. In der SPD dann natürlich vorwiegend Linksspinner.

Inklusive der SPD-Chef und Regierende Bürgermeister Michael Müller? Warum geistert der eigentlich als Witzfigur durch Satire-Sendungen?
Müller ist nicht wirklich ein Politiker. Er ist Beamter und hat verhornte Fingerspitzen. Ein feines Gespür für die Erwartungen und Bedürfnisse der Bevölkerung geht ihm ab. Man merkt richtig, wie verkrampft er Themen sucht.

Womit?

Nehmen Sie seine „brandneue“ Idee eines solidarischen Grundeinkommens. Das ist alter Wein in neuen Schläuchen. Diese Diskussion haben wir schon vor zwanzig Jahren mit der Verstetigung des ABM-Programms hinter uns gebracht. Die Gewerkschaften haben das seinerzeit gegen die Wand fahren lassen. Sie fürchteten eine Aushöhlung des Tarifsystems. Das wird dieses Mal nicht anders. Aber wenn es um die Videoüberwachung des öffentlichen Raums geht, hinter der 85 Prozent der Bevölkerung stehen, dann steht er willenlos unter Kuratel der Grünen und Linken.

Hätten Sie so deutliche Worte auch schon gesprochen, als Sie noch Mandatsträger waren? Oder gefallen Sie sich heute in Ihrer Rolle als grumpy old man, weil Sie nichts mehr zu verlieren haben?

Vieles, was ich heute mache, konnte ich als Bezirksbürgermeister von Neukölln nicht tun. Ich bin jetzt freier in der Darstellung. Ich habe meine Kommentarforen in der Bild-Zeitung und beim Berliner Rundfunk. Immer klare Kante. Provokation ist ein zulässiges Mittel in der politischen Auseinandersetzung.

Sie machen aber gleich eine Show daraus.

Die Politikmüdigkeit beruht ja auch darauf, dass Politik bei uns so langweilig geworden ist. Wenn es noch ein bisschen mehr Herbert Wehner und ein bisschen mehr Franz-Josef Strauß gäbe, dann wäre auch mehr los.

Und dann haben Sie sich auch noch als Berater für eine RTL-Sendung „Ein Koffer voller Chancen“ hergegeben, die testet, ob Hartz IV-Empfänger ihr Leben besser in den Griff bekommen, wenn man ihnen die Stütze für eine Jahr im Voraus auszahlt. Hatten Sie gar keine Skrupel, sich für diese Zurschaustellung von Verlierern herzugeben?

Warum sollte ich? Wir hatten 1.200 Bewerbungen. Die Teilnehmer durchliefen ein Prüfverfahren und legten einen Plan vor, wie sie von Hartz IV loskommen wollen. Die Experten waren nur Begleiter und Berater. Niemand wurde zu irgendetwas gezwungen oder genötigt. Und so erfolglos war das doch alles nicht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen