Donnerstag, 20. Dezember 2012

Die Mittelschicht schrumpft

Laut einer soeben veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung, schrumpft die Mittelschicht seit 15 Jahren. Demgegenüber soll der Anteil unterer und unterster Einkommen (weniger als 70 Prozent des Medians) seit 1997 um fünf Prozent bzw. knapp vier Millionen Personen gestiegen sein.
  Drei Ursachen sollen für die Entwicklung der Einkommensmittelschicht in Deutschland identifiziert worden sein: Veränderungen in der Haushaltsstruktur, Steuerreformen und ein Wandel der Strukturen des Arbeitsmarktes. Mit Hinblick auf demographische Veränderungen sei die Zunahme der Einpersonen- und Alleinerziehendenhaushalte an allen Privathaushalten zu nennen (1991: 34 Prozent 2010: 40 Prozent). Dieser Trend sei in Ostdeutschland mit einer Zunahme von 10 Prozent besonders ausgeprägt. Mehr Einpersonenhaushalte würden zu größerer Einkommensungleichheit führen, da keine Ersparnisse durch gemeinsames Wirtschaften wie in größeren Haushalten erzielt werden.
  Gründe für die strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sollen unter anderen im sinkenden gewerkschaftlichen Organisationsgrad und in einer rückläufigen Nachfrage nach gering qualifiziert Beschäftigten liegen.
   Über die Studie: Die Entwicklung der Mittelschicht spielt in der öffentlichen Diskussion eine große Rolle. Die Angaben sind dazu sehr unterschiedlich. Für eine umfassende Beurteilung der Entwicklung der Mittelschicht anhand empirischer Daten, wurde die Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Universität Bremen erstellt. In dieser Studie wurden verschiedene Definitionen der Mittelschicht unter Berücksichtigung von Bildung, Beruf, Vermögen und Einkommen herangezogen.
  Laut Studie zählt zur Mittelschicht, wer zwischen 70 und 150 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügt. Unter 60 Prozent soll angeblich die Armutsgrenze beginnen.
Nun weiß jeder, der im Mathematikunterricht ein wenig aufgepasst hat, dass sich Abweichungen von Mittelwerten, dem Median, immer proportional zum Mittelwert bewegen. Wie fragwürdig deshalb prozentuale Grenzen sind, zeigt folgendes Beispiel:
   Heute beträgt das verfügbare Durchschnittseinkommen angeblich ca. 16.140 Euro. Zur Unterschicht zählt demnach, wer  weniger als 70 % davon zur Verfügung hat. Das wären 11.298 Euro. Und zur oberen Einkommensschicht soll zählen, wer über mehr als 150 % davon verfügt, also 24.210 Euro.
  Eine Berechnung auf Medianbasis bewirkt, dass, wenn zum Beispiel das verfügbare Durchschnittseinkommen, wie etwa für 2013 prognostiziert, um 600 Euro steigt, im gleichen Verhältnis auch die Armutsgrenze steigen muss und das Verhältnis zwischen Unter- Mittel- und oberer Einkommensschicht bleibt gleich. Das heißt, wer in der Unterschicht keine höheren Einkommenssteigerungen als die Mittelschicht erzielt, bleibt immer in der Unterschicht. Dass wusste schon der Mathematiker Carl-Friedrich Gauß, als er vor 150 Jahren seine „Normalverteilungskurve“ entwickelte.
Beispielrechnung:
Einkommen
Unter 70%
Anteil
Mittel
Anteil
Ober 150%
Anteil
Gesamt
Derzeit
  11.298 €
22%
    16.140 €
31%
  24.210 €
47%
  51.648 €








Mittel :  + 600 €
  11.718 €
22%
    16.740 €
31%
  25.110 €
47%
  53.568 €

 

   

 


Man sieht, bei Medianberechnungen bleiben die Verhältnisse auf der Grundlage des Mittelwertes immer gleich und wenn das Durchschnittseinkommen steigt, steigt auch die „Unterschichtgrenze“.  
Und wie widersinnig Berechnungen auf Medianbasis sind, zeigt folgendes:
   Wer in Sachsen-Anhalt ein Durchschnittseinkommen von 16.970 € zur Verfügung hat und sich in der Mitte zur Mittelschicht seines Landes zählen kann, würde in Hamburg knapp an der Unterschicht  vorbei schrammen, da dort die Armutsgrenze bei 16.000 € verläuft.
   Und trotzdem scheint mir die Studie der Bertelsmann Stiftung seriöser als der „Armutsbericht“ der Wohlfahrtsverbände, der als Lobbybericht der „Hilfeindustrie“ von zahlreichen Medien zur Skandalisierung ihrer vorweihnachtlichen Berichterstattung genutzt wird.
   Da kann man es nur mit Churchill halten und nur der Statistik glauben, die man selbst gefälscht hat...

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