Politiker und Haltung - Kreuzfahrt
der Moralisten
VON ALEXANDER MARGUIER am 28. März 2019
Haltung zu
zeigen ist das Gebot unserer Zeit. Peinlich wird es erst, wenn das eigene
Handeln den eingeforderten Werten widerspricht. Der Fall der
Ex-Umweltministerin Barbara Hendricks ist bei weitem nicht das einzige Beispiel
Autoreninfo
Alexander
Marguier ist Chefredakteur von Cicero.
Haltung zu
zeigen, das ist der moralische Imperativ unserer Zeit. Wobei die Defintition
von „Haltung“ praktischerweise immer gleich von jenen mitgeliefert wird, die
diese von anderen einfordern. Im Wesentlichen erstreckt sich der aktuelle
Haltungsraum auf Bereiche wie „Weltoffenheit“, „Vielfalt“ oder „Solidarität“,
und zwar in einer Allgemeinverbindlichkeit, die ein kritisches Differenzieren
und Hinterfragen möglichst verhindern soll. Denn wer etwa einen Begriff wie
„Vielfalt“ in Bezug auf Bürgergesellschaften durchbuchstabieren würde,
käme womöglich in die Verlegenheit, ernsthaft Vor- und Nachteile gegeneinander
abwägen zu müssen. Und genau darum geht es bei den zeitgeistigen
Haltungswettbewerben nicht, die ja vor allem ein Lebensgefühl transportieren:
Wer „Haltung“ zeigt, sich also öffentlich zur „guten Sache“ bekennt, steht auf
der richtigen Seite. Der erweiterte Freundes- und Bekanntenkreis möge es bitte
zur Kenntnis nehmen.
Selbstverständlich
zählt auch der Schutz der Umwelt zu den haltungsrelevanten Themen, wobei sich
hier eine gewisse Problematik auftut, die etwa beim Vielfaltspostulat nicht so
sehr besteht. Das verbale Sich-stark-machen für eine intakte Natur kann nämlich
mit dem tatsächlichen eigenen Verhalten schneller und deutlicher in Abgleich
gebracht werden als bei anderen Haltungsfragen: Wer sich für „Vielfalt“
ausspricht, der kann das problemlos auch von einem Münchener Villenviertel mit
Null-Migrationsanteil aus tun, ohne ernsthaft um seine Glaubwürdigkeit fürchten
zu müssen. Wer sich hingegen, um ein beliebtes Anschauungsbeispiel zu bringen,
von den Eltern im SUV zur „Fridays for Future“-Demo chauffieren lässt, muss mit
kritischen Nachfragen rechnen, die bei entsprechender Beweislage meist im
Internet gestellt werden. Da ist also Vorsicht geboten!
Das musste
jüngst auch die bayerische Grünen-Chefin Katharina
Schulze erfahren, nachdem sie sich auf Instagram beim Eisessen
im fernen Kalifornien in Szene gesetzt hatte, wohin sie mutmaßlich nicht mit
dem Fahrrad gelangt war. Dass in ihrem Eisbecher auch noch ein Löffel aus
rosafarbenem Plastik steckte, machte die Sache nicht eben besser – selbst der Stern
und andere notorische Haltungsmedien reagierten leicht kritisch von wegen
„Wasser predigen und selber Wein trinken“.
Weit weniger
spektakulär, aber auf vergleichbare Weise, hat sich kürzlich in meinem
Facebook-Bekanntenkreis der (übrigens sehr sympathische) SPD-Bürgermeister
Reinhard Naumann des Berliner Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf
hervorgetan: Einem Posting, das die Schülerdemos zum Klimaschutz unterstützen
sollte, folgte als unmittelbar nächstes Posting in der Timeline des
Bürgermeisters seine Mitteilung, er sei jetzt „nach einem sehr erholsamen
Thailand-Urlaub glücklich back home“. Auf die Frage, ob diese beiden Statements
nicht in einem gewissen Widerspruch stünden, antwortete er mit der Gegenfrage:
„Soll bei Langstreckenflügen (!) die Nutzung von Flugzeugen verboten werden??
Allerdings bin ich für die Besteuerung von Kerosin...“ Ach so, sorry, dann ist
ja alles gut! Warum sollte ein Kommunalpolitiker auch sensibler reagieren als
die eigenen Parteigranden? Siehe Barbara Hendricks.
Auf hoher See mit Barbara Hendricks
Im Juni 2017
war Hendricks noch Umweltministerin und machte sich somit quasi schon von Amts
wegen Sorgen um die Natur: „Es kann ja nicht sein, dass wir an Pkw harte
Maßstäbe anlegen und Frachtschiffe und Kreuzfahrtschiffe unreguliert Gifte in
die Luft blasen lassen“, gab die SPD-Politikerin im Interview mit dem Hamburger
Abendblatt zu Protokoll. Inzwischen hat sich ihre berufliche Situation
verändert; Hendricks hat das Ministeramt abgegeben und ist nur noch normale
Bundestagsabgeordnete. Was offenbar mehr Zeit lässt für Aktivitäten außerhalb
des politischen Betriebs im engeren Sinne, in diesem Fall sogar auf hoher See.
In der aktuellen Ausgabe des SPD-Mitgliedermagazins Vorwärts wirbt
jedenfalls der „SPD-Reiseservice“ für eine 13-tägige „SPD-Exklusiv-Kreuzfahrt“
rund um Island. Und damit auf der MS Astor keine Langeweile aufkommt, haben die
Veranstalter für ihre reisefreudigen Genossen zwei Stargäste mit an Bord
geholt. Nämlich den Chansonnier Klaus Hoffmann sowie, jawohl, die ehemalige
Umweltministerin Barbara Hendricks.
Letztere sagte im Abendblatt-Interview übrigens
auch, Kreuzfahrten müssten teurer werden, „wenn man Wert darauf legt, den
Schadstoffausstoß zu senken“. Ob die 1429 Euro (pro Person in der
Vierbettkabine) für den Islandtörn teuer genug sind, kann sie dann ja mit ihren Gästen auf der Astor besprechen.
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